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Nominierungen für den 66. Hörspielpreis der Kriegsblinden

Für den 66. Hörspielpreis der Kriegsblinden, der am 17. Mai im Deutschlandfunk Köln verliehen wird, hat eine 14-köpfige Jury drei Arbeiten nominiert. Der Gewinner der renommierten Auszeichnung, getragen vom Bund der Kriegsblinden e.V. (BKD) und der Film- und Medienstiftung NRW, wird am 9. Mai bekannt gegeben.

Unter Vorsitz der Kulturwissenschaftlerin Gaby Hartel nominierte die Jury (siehe unten) folgende drei Produktionen:

Evangelium Pasolini“ von Arnold Stadler und Oliver Sturm, eine Produktion des HR
1964 überraschte Pier Paolo Pasolini Kirche sowie Publikum mit seinem Film „Das 1. Evangelium – Matthäus“. Pasolini stellt dabei Jesus als realistische, menschliche Figur dar und setzt zugleich kompromisslos die biblische Vorlage um. Angesichts von Pasolinis Homosexualität und seiner kommunistischen Überzeugungen rief dies sowohl in katholischen als auch in linken Kreisen Verwunderung hervor. Das Hörspiel von Arnold Stadler und Oliver Sturm erzählt das Matthäus-Evangelium einerseits aus der Perspektive des Films von Pasolini, andererseits aus der des Schriftstellers Arnold Stadler, der diesen Film betrachtet. Das Evangelium, der Film, das Drehbuch und der nacherzählte Film formulieren ein vielperspektivisches Bild der ursprünglichen Geschichte von der Jungfrauengeburt bis zum Kreuzestod. Die Jury: „In Stadlers Deutung erhält die Passion so eine Aktualität, die sich auch nicht verschließt vor den kriegspolitischen Hintergründen, die derzeit massenweise Menschen in die Flucht treiben. In diesem […] Klanggewebe gibt das Hörspiel einem Filmklassiker Raum [und] ermöglicht Einblicke in die künstlerische Spiritualität  Pasolinis […]. Stadler und Sturm haben sich einiges vorgenommen. Mehr als nur einiges ist ihnen gelungen.“

Mein Herz ist leer“ von Werner Fritsch, eine Produktion des Deutschlandradio Kultur und Radio Bremen
Ein guter Haikumacher ist ein „Dichter des Gehörs“, er lebt „in der Welt der Klänge“. Das schrieb der Wanderdichter Taneda Santōka (1882-1940) über sein Metier, die kurze japanische Versform. Seine modernen Haiku erzählen vom Brüllen der Brandung, vom harschen Klang des Brettspiels, vom Stimmengewirr in der Gaststube, der Stille der Berge. Der Autor und Hörspielmacher Werner Fritsch dichtete Santōkas Haiku nach und ordnete sie zu einem Zyklus. Gemeinsam mit der Komponistin Miki Yui verzahnt er den Klang der Rezitation mit den inneren Hörbildern der Verse. Die Jury: „In seiner Bewegung zwischen Stille und Laut, zwischen Geräusch, Bild und Gedanke ist Werner Fritschs Hörstück atemberaubend raumgreifend. Alles an diesem Klanggebilde wirkt unmittelbar, direkt und klar. Vor allem: unpathetisch. Gerade darum spricht es uns an in seiner polyphon dichten  Sinnlichkeit, die im Zusammenspiel mit den Fieldrecordings und der Komposition Miki Yuis eine zupackende Körperlichkeit entfaltet.“

Screener“ von Lucas Derycke, eine Produktion des WDR
Auf der Suche nach einem kurzfristigen Job meldet sich Felix für eine Stelle als Content Reviewer. Für ein großes Unternehmen kontrolliert Felix die Videoinhalte, die online gehen. Täglich werden Massen von Videos im Internet bereitgestellt: Tutorials, Tiervideos, Failvideos. Neben Alltäglichem ist auch unangemessenes oder illegales Material dabei. Er schaut zu und sortiert aus, im sicheren Glauben die Distanz zu wahren. Doch die Bilder bleiben nicht ohne Wirkung. Sie hallen nach und brechen in private Momente ein. Was geschieht mit der Bilderflut in seinem Kopf? Felix Leben gerät aus den Fugen.
Die Jury: „‘Screener‘ von Lucas Deryke, stellt sich künstlerisch dem unguten Gefühl, das ein Großteil der Gesellschaft dem Internet gegenüber hegt. […] Was tun mit der Welle an Gewaltdarstellung, die dort über uns hereinbricht? Ignorieren, um nicht zum anfeuernden Publikum zu werden? […] Ein akustisch beeindruckendes und inhaltlich intensives Hörspiel zu einer brennenden Frage unserer Zeit.“

Die nominierten Hörspiele können ab sofort auf der Homepage der Film- und Medienstiftung als Stream abgerufen werden. Unter http://www.filmstiftung.de/66-hoerspielpreis-der-kriegsblinden-die-nominierten/ stehen die Hörspiele sowie die vollständigen Jurybegründungen und Fotos der Nominierten bis Mitte Mai zur Verfügung. Die von Ute Soldierer moderierte Preisverleihung findet am 17. Mai um im Deutschlandfunk Köln statt.

Der Hörspielpreis der Kriegsblinden wird seit 1952 jährlich an ein für einen deutschsprachigen Sender konzipiertes Original-Hörspiel verliehen, das in herausragender Weise die Möglichkeiten der Kunstform realisiert und erweitert.

Die Jury des 66. Hörspielpreises der Kriegsblinden
Blinde Juroren: Paul Baumgartner, Johann Dressing, Hans-Dieter Hain, Dietrich Plückhahn, Thade Rosenfeld, Sigfried Saerberg

Fachkritiker: David Denk (Autor, Journalist, Süddeutsche Zeitung), Gaby Hartel (Kulturwissenschaftlerin, Vorsitzende der Jury), Thomas Irmer (Freier Journalist u.a. Theater der Zeit), Eva-Maria Lenz (Freie Journalistin, FAZ, epd), Doris Plöschberger (Suhrkamp Verlag), Diemut Roether (epd medien), Isabel Zürcher (Kritikerin, Lektorin und Publizistin), Jenni Zylka (Journalistin, Autorin und Moderatorin)