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Film und Medien Stiftung NRWBerlinale Series Market & Conference 2021

Bei der Berlinale Series Market & Conference ging es von Montag, 01.03.21 bis Freitag, 05.03.21 in Screenings, Showcases und Talks um aktuelle Serienproduktionen und die Zukunft des Serienmarktes. Die eintägige Online-Konferenz am Mittwoch, 03.03.21 bot Keynotes und Talks zu den aktuellen Content Strategies von Plattformen und Produzent*innen. Mit dabei Russel T Davies („Years and Years“), Anke Greifeneder und Hannes Heyelmann (Warner Media, HBO Max), Christophe Riandée (Gaumont) sowie Scott Frank („Das Damengambit“). Netflix und Amazon waren mit einem eigenen Showcase vertreten. Im German Showcase wurde die filmstiftungsgeförderte Drama-Adventure-Serie „Wild Republic“ von Markus Goller und Lennart Ruff (Lailaps Pictures / X Filme Creative Pool, Magenta TV / WDR / SWR / Arte / One, Beta Film) vorgestellt.

Die Film- und Medienstiftung NRW war zum siebten Mal offizieller Hauptpartner.

Eröffnung

Die siebte Ausgabe der Marktplattform für internationale High-End-Serien, Berlinale Series Market & Conference, ist am 3. März eröffnet worden. Die Veranstaltung, die in diesem Jahr online durchgeführt wird, findet im Rahmen des European Film Market (EFM) der Berlinale statt.

Dennis Ruh, der neue Direktor des EFM, ging in einem kurzen Statement zum Auftakt auf die Herausforderungen ein, die sich in diesem Jahr durch die virtuelle Umsetzung ergeben hätten. Trotz aller notwendigen Veränderungen seien alle wesentlichen Elemente von Berlinale Series Market & Conference erhalten geblieben – vom Zusammenspiel mit dem Pitching-Format Co-Pro Series und dem offiziellen Serien-Programm der Berlinale bis hin zum Kongress mit Keynotes, Talks und Serien-Showcases. Auch die Hauptpartnerschaft mit der Film- und Medienstiftung NRW ist geblieben: Seit 12 Jahren besteht sie, angefangen mit Industrytalks bis hin zum Berlinale Series Market. Mit „Berlinale Series Market Selects“ sei sogar eine neue Reihe eingeführt worden, in der herausragende neue Serien mit hohem kommerziellem Potenzial vorgestellt werden.

Berlinale Series Market & Conference ist eine gemeinsame Initiative der Berlinale Industry-Plattformen EFM, Berlinale Co-Production Market und Berlinale Talents. Ruh bedankte sich in seinem Statement noch einmal ausdrücklich bei der Film- und Medienstiftung NRW. Sie fungiere seit den Anfangstagen als Hauptpartner der Veranstaltung und habe deren Entwicklung von der Gesprächsrunde im Spiegelzelt bis hin zum zuletzt dreitägigen Fachevent im Zoo Palast mit begleitet.

Die Film- und Medienstiftung trat auch als Mitveranstalter des Keynote-Gesprächs auf, das zum Auftakt des digitalen Kongressprogramms stattfand. Darin sprach Moderatorin Jenelle Riley (Variety) mit dem britischen Fernsehproduzenten und Drehbuchautor Russell T Davies über dessen jüngstes Projekt, die LGBT-Miniserie „It’s a Sin“. Davies, der u.a. als Showrunner der legendären BBC-Serie „Doctor Who“ bekannt ist, erzählt darin die Geschichte einer Gruppe von vier schwulen Jugendlichen, die mit ihrer heterosexuellen besten Freundin eine Wohngemeinschaft in London bilden. „It’s a Sin“ ist in den 1980er Jahren angesiedelt und zeichnet über einen Zeitraum von zehn Jahren hinweg die verheerenden Auswirkungen der AIDS-Epidemie in Großbritannien nach. Vor der Premiere auf dem britischen Channel 4 im Januar 2021 sei er skeptisch gewesen, ob die Zuschauer angesichts der aktuellen Corona-Krise eine Serie mit einem solchen Thema sehen wollten, berichtete Davies. Umso erfreulicher sei der Erfolg von „It’s a Sin“, der auch neue Aufmerksamkeit auf das Thema HIV gelenkt habe. Er hätte sich gewünscht, dass dies auch schon in den 80er Jahren gewesen wäre, in denen AIDS zunächst verharmlost und dann oftmals aus Scham verschwiegen worden sei, sagte der Produzent und Autor. „It’s a Sin“, in der neben vielen Nachwuchsdarstellern auch Stars wie Neil Patrick Harris und Stephen Fry zu sehen sind, läuft im offiziellen Programm Berlinale Series.

Upcoming Series from Germany: „Wild Republic“

Mit der filmstiftungsgeförderten Produktion „Wild Republic“ legt der Telekom-Streamingdienst MagentaTV seine zweite fiktionale Original-Serie vor. Im Rahmen der Showcase-Reihe „Upcoming Series from Germany“ bei der virtuellen Berlinale Series Conference wurde am 3. März über den aktuellen Stand des Projekts berichtet. Nils Dünker, CEO von Lailaps Pictures, die mit X Filme Creative Pool für die Produktion verantwortlich zeichnet, stellte im Gespräch mit Moderatorin Annabelle Mandeng einen Sendestart im April für den Achtteiler in Aussicht. Dann werde „Wild Republic“ zunächst für ein Jahr exklusiv bei MagentaTV zu sehen sein, danach kämen die weiteren Senderpartner (Arte, WDR, SWR und One) zum Zuge. Das Zusammenspiel zwischen öffentlich-rechtlichen Partnern und Streamingdienst habe sich in diesem Fall angeboten – zumal „Wild Republic“ optimal ins Konzept von MagentaTV mit wenigen, aber qualitativ hochwertigen Eigenproduktionen passe.

Die Arbeiten an der Drama-Adventure-Serie, die u.a. auch durch einen frühzeitigen Einstieg der Film- und Medienstiftung NRW als Förderpartner ermöglicht wurde, begannen im Frühjahr 2020 unmittelbar vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie. X Filme-Geschäftsführer Uwe Schott schilderte in der Online-Talkrunde die Auswirkungen auf den Produktionsprozess: Zunächst hätten die Dreharbeiten in Köln, wo eine aufwendig konstruierte Höhle in den MMC-Studios als Schauplatz diente, unterbrochen werden müssen. Später habe sich auch der Dreh in Südtirol aufgrund der Einreisebeschränkungen verzögert. Durch das große Engagement aller Beteiligten sei es möglich gewesen, die Produktion trotz allem weitgehend ohne Abstriche zu realisieren – auch wenn man dafür das ursprünglich geplante Budget überzogen habe.

„Wild Republic“ erzählt die Geschichte einer Gruppe jugendlicher Straftäter, die sich während einer Resozialisierungsmaßnahme in einer Höhle in den Hochalpen verschanzen. Bei der Berlinale Series Conference sprachen Regisseur Markus Goller, der die Serie mit Lennart Ruff inszeniert hat, und Hauptdarstellerin Emma Drogunova über ihre Eindrücke von den Dreharbeiten. Die Schauspielerin berichtete dabei u.a. über die besondere Atmosphäre an den beiden Hauptdrehorten in Köln und in den Alpen sowie über die Herausforderung, nach den langen Drehphasen Abstand von ihrem Seriencharakter zu gewinnen.

Upcoming Series from Germany: „Terra Vision“

Die wahre Geschichte von zwei Freunden im Berlin der 1990er Jahre, denen die Idee für das spätere Google Earth gestohlen wurde, erzählt „Terra Vision“. Die deutsche Netflix-Miniserie, die voraussichtlich im Herbst 2021 bei dem Streamingdienst startet, wurde am 3. März in der Showcase-Reihe „Upcoming Series from Germany“ bei der virtuellen Berlinale Series Conference vorgestellt. Autor und Showrunner Oliver Ziegenbalg schilderte im Gespräch mit Moderatorin Annabelle Mandeng, dass er einen der Protagonisten dieser außergewöhnlichen Geschichte bei einem privaten Grillabend kennengelernt und sofort begeistert gewesen sei. Netflix habe sich dann als idealer Partner für das von Kundschafter Film produzierte Projekt erwiesen, das sich mit einer Gesamtlänge von etwa fünf Stunden am besten als Miniserie erzählen lasse. Zudem sei es durch die Auswertung bei einem internationalen Streamingdienst möglich, die Serie in unterschiedlichen Sprachen zu belassen – passend zu den Schauplätzen der Handlung.

„Terra Vision“ wird auf zwei Zeitebenen erzählt. Die erste spielt Anfang der 1990er Jahre in Berlin, die zweite rund 25 Jahre später rund um den Prozess, den die beiden deutschen Software-Pioniere gegen Google in den USA führen. Regisseur und Showrunner Robert Thalheim sprach bei der Berlinale Series Conference über die unterschiedlichen Herausforderungen, die bei den Dreharbeiten zu bewältigen gewesen seien. Zum einen seien im heutigen Berlin kaum noch Schauplätze zu finden, die die Atmosphäre der Stadt vor 30 Jahren widerspiegelten. Daher habe man Budapest als Drehort gewählt. Die Corona-Pandemie habe weitere geplante Drehs in Spanien, Japan oder den USA unmöglich gemacht. Diese Szenen habe man zum Teil ins Studio verlagert. Hauptdarsteller Leonard Scheicher berichtete, dass er sich u.a. mit der Lektüre von Berichten über die Berliner DJ-Szene und der Biografie des Apple-Gründers Steve Jobs auf das Projekt vorbereitet habe. Authentizität sei ihnen besonders wichtig, betonten die Verantwortlichen. So stammten alle in „Terra Vision“ vor Gericht gemachten Aussagen tatsächlich aus den Gerichtsprotokollen. Zudem werde dokumentarische Filmmaterial in die Serie miteinbezogen.

Upcoming Series from Germany: „Para – Wir sind King“

Mit dem Drama „4 Blocks“, das im Milieu arabischer Familienclans in Berlin angesiedelt war, gelang der Produktionsfirma W&B Television und dem Pay-TV-Sender TNT Serie ein hochgelobter und vielfach preisgekrönter Serien-Erfolg. Nun arbeiten die beiden Partner bei „Para – Wir sind King“ wieder zusammen. Am 3. März wurde die neue Serie in der Showcase-Reihe „Upcoming Series from Germany“ bei der virtuellen Berlinale Series Conference präsentiert. Im Mittelpunkt von „Para“, benannt nach dem türkischen Wort für Geld, stehen vier junge Frauen. Jazz, Fanta, Hajra und Rasaq sind in schwierigen Verhältnissen im Berliner Stadtteil Wedding aufgewachsen und blicken in eine ungewisse Zukunft. Ein zufälliger Fund macht ihnen Hoffnung auf schnelles Geld und ein besseres Leben.

Die Hauptdarstellerinnen Jeanne Goursaud, Jobel Mokonzi, Soma Pysall und Roxana Samadi erläuterten im Online-Talk mit Moderatorin Annabelle Mandeng, was die von ihnen dargestellten Charaktere ausmacht. Zudem berichteten Autor Hanno Hackfort und Regisseur Özgür Yildirim, die auch schon bei „4 Blocks“ mitwirkten, über die Hintergründe der Produktion. Nach der stark von männlichen Figuren dominierten Clan-Serie habe man diesmal Wert auf eine weibliche Perspektive gelegt, sagte Hackfort. Zudem konzentriere sich „Para – Wir sind King“ auf Menschen aus einem sozial schwächeren Umfeld. Mit der Besetzung der Hauptfiguren, die aus einem Casting mit rund hundert Darstellerinnen hervorgegangen sei, habe man großes Glück gehabt, betonte Regisseur Yildirim. Er habe auch bei dieser Produktion wieder in der für ihn üblichen Weise gearbeitet und die Schauspielerinnen dazu ermutigt, bei den Dialogen auf Basis des Drehbuchs zu improvisieren. Dies sei wichtig, um das richtige Gefühl für die gespielte Szene zu bekommen. Der Sechsteiler „Para – Wir sind King“ soll am 22. April bei TNT Serie an den Start gehen.

Upcoming Series from Germany: „Blackout – Morgen ist es zu spät“

Mehr als 1,7 Millionen Mal ist der Thriller „Blackout – Morgen ist es zu spät“ des österreichischen Autors Marc Elsberg bislang verkauft worden. Nun bringt die Produktionsfirma W&B Television den Bestseller mit den Streaming- und Senderpartnern Joyn und Sat.1 als sechsteilige High-End-Serie an den Start. Am 3. März wurde das Projekt im Rahmen der Showcase-Reihe „Upcoming Series from Germany“ bei der virtuellen Berlinale Series Conference vorgestellt. Im Mittelpunkt der Handlung steht ein ehemaliger Hacker und Umweltaktivist, der nach einem folgenreichen Stromausfall auf dem gesamten europäischen Kontinent in den Fokus der Ermittler gerät.

Regisseur Lancelot von Naso, der mit Kai-Uwe Hasenheit auch die Drehbücher für die Serie geschrieben hat, berichtete im Gespräch mit Moderatorin Annabelle Mandeng, dass seine Frau gleich nach der Lektüre der ersten Script-Fassung erklärt habe, dass die Hauptfigur auf jeden Fall von Moritz Bleibtreu gespielt werden müsse. Tatsächlich sagte der Schauspieler für die Rolle zu. Bleibtreu führt nun einen prominent besetzten Cast mit u.a. Marie Leuenberger, Heiner Lauterbach, Jessica Schwarz, Herbert Knaup und Barry Atsma an. Zusammen mit von Naso und dem zweiten Regisseur Oliver Rihs habe er den Protagonisten über ein bloße Heldenfigur hinaus entwickelt, berichtete Bleibtreu beim Showcase. Es gehe auch um einen Mann, der sich seiner Vergangenheit stellen und entscheiden müsse, welche Werte ihm wichtig seien.

Aus Sicht von Rihs stellte u.a. die Gestaltung des Lichts bei „Blackout“ eine besondere Herausforderung dar. Zunächst habe man die Dunkelheit als Folge des Stromausfalls simulieren, dann aber auch mit alternativen Lichtquellen wie Taschenlampen, Kerzen oder Fackeln wieder Helligkeit in die Szenen bringen müssen. Dabei sei eine mittelalterlich anmutende, fast schon romantische Stimmung entstanden. Nicht zuletzt wurden die Dreharbeiten zu dem Sechsteiler, die bis Ende 2020 dauerten, auch von der Pandemie beeinflusst. Gerade in der Schlussphase sei es aufgrund des Infektionsgeschehens immer schwieriger geworden, die geplanten Locations zu bekommen, berichtete Produzentin Kerstin Nommsen von W&B Television. Letztlich habe das Team die Situation aber gemeistert. Das Hygienekonzept habe gut funktioniert, weshalb man beim Umfang der Produktion mit mehr als 100 Darsteller*innen und rund 1.800 Extras keine nennenswerten Abstriche habe machen müssen. „Blackout – Morgen ist es zu spät“ soll im Herbst 2021 zunächst beim Streamingdienst Joyn ausgestrahlt werden.

How to produce with Netflix online (fast)

Die Coming-of-Age-Comedy „How to Sell Drugs Online (Fast)“ zählt zu den erfolgreichsten deutschen Serien beim Streamingdienst Netflix. Für die Produktionsfirma btf war die Geschichte um einen nerdigen Teenager, der vom Kinderzimmer aus zum Internet-Drogenbaron avanciert, auch das erste große fiktionale Projekt. Zuvor hatten die Kölner sich u.a. mit Showformaten mit dem Satiriker Jan Böhmermann einen Namen gemacht. Bei der virtuellen Berlinale Series Conference am 3. März wurde die Zusammenarbeit von btf und Netflix auf einem Panel mit Moderatorin Claudia Lehmann (maz & movie) thematisiert.

Die Gründer von btf und Showrunner der Serie, Matthias Murmann und Philipp Käßbohrer erinnerten sich dabei an die Ursprünge des Projekts. Die Firma sei von vielen in der Branche in die non-fiktionale Schublade eingeordnet worden, sagte Murmann. So habe auch bei Netflix zunächst niemand btf auf dem Schirm gehabt. Es sei sehr viel Überzeugungsarbeit erforderlich gewesen.

Letztlich habe die inhaltliche Idee zu „How to Sell Drugs Online (Fast)“ vollauf überzeugt, berichtete Eva van Leeuwen, Manager German Original Series bei Netflix. Zudem sei es Teil der Philosophie des Streamingdiensts, immer wieder neue Dinge auszuprobieren. Damit lägen beide Partner auf einer Wellenlänge, denn auch bei btf gelte die Devise, dass grundsätzlich alles möglich sei, betonte Käßbohrer. Auch die Herausforderung, pro Jahr eine neue Staffel der Drogenserie zu liefern, habe man bewältigt und sich mittlerweile an dieses Arbeitspensum gewöhnt, erklärte Murmann.

„How to Sell Drugs Online (Fast)“ sei neben „Dark“, „Barbaren“ oder „Unorthodox“ eine von vielen äußerst unterschiedlichen Netflix-Serien aus Deutschland, die auch international großen Anklang gefunden hätten, erklärte van Leeuwen. Diese Produktionen zeichneten sich durch starkes Storytelling ebenso aus wie durch ein Lokalkolorit, das auch für Zuschauer in anderen Ländern attraktiv sei. Sie kündigte für die Zukunft mehrere weitere gemeinsame Projekte mit btf an. Fest steht jetzt schon, dass im Sommer 2021 Staffel 3 von „How to Sell Drugs Online (Fast)“ starten soll.

Content Strategies #1: Navigating the Trends

Das Jahr 2020 war geprägt von Covid-19. Bei der virtuellen Berlinale Series Conference am 3. März erläuterte Guy Bisson in einer Präsentation, welche konkreten Auswirkungen die Pandemie auf den Markt für Serien hatte. Der Research Director beim Londoner Marktforschungsunternehmen Ampere Analysis zeigte u.a. auf, wie sich die Nachfrage des Publikums nach bestimmten Inhalten im Lauf des Jahres veränderte. Im März waren es noch dokumentarische Themen oder Crime, im Mai, zur Zeit des ersten Lockdowns, seien vor allem Comedy-Formate gefragt gewesen. Im Sommer, in dem vielerorts die Einschränkungen gelockert wurden, sei eine Tendenz zu romantischen Stoffen feststellbar gewesen. Der Herbst hingegen habe die Rückkehr zur Comedy und der Winter einen Trend hin zu Drama-Serien mit eher eskapistischen Themen gebracht.

Bei der Entwicklung neuer fiktionaler Serienstoffe zeigte Bisson unterschiedliche Tendenzen auf: Während im Herbst 2020 bei den linearen TV-Anbietern in dieser Hinsicht ein Rückgang von gut 40 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu verzeichnen gewesen sei, hätten die Streamingdienste im selben Zeitraum ihr Aufkommen an Neuentwicklungen um fast 40 Prozent erhöht. Es sei somit zu erwarten, dass in Zukunft noch mehr hochwertige Drama-Produktionen bei den Streamern zu sehen seien und die linearen Anbieter in dieser Hinsicht weiter ins Hintertreffen geraten könnten. Die großen Streamingdienste seien auch als Auftraggeber für die europäischen Content-Produzenten immer bedeutendere Partner. Als Rising Stars bezeichnete er Netflix, Sky, Viaplay und TVNOW. Dabei seien die inhaltliche Schwerpunkte der Anbieter unterschiedlich gesetzt, führte der Marktforscher aus. Während Netflix vor allem Projekte mit internationaler Strahlkraft suche, seien zum Beispiel bei HBO Max derzeit Stoffe gefragt, in denen es um Vielfalt in der Gesellschaft gehe. Amazon strebe unterdessen eine möglichst breite thematische Palette an.

Content Strategies #2: Producers’ Perspective

Mit der französischen Serie „Lupin“ gelang Gaumont zu Jahresbeginn ein weltweiter Erfolg beim Streamingdienst Netflix. Christophe Riandée, der Vice-CEO von Gaumont, sprach am 3. März in einem Produzenten-Talk bei der virtuellen Berlinale Series Conference über die aktuelle Marktsituation für den französischen Filmkonzern. Aufgrund der Pandemie-bedingten Kinoschließungen sei die Lage in diesem Bereich derzeit schwierig, während eine hohe Nachfrage nach Serien zu verzeichnen sei – nicht zuletzt aufgrund der neuen Streaming-Plattformen von Disney oder HBO. Fast 20 neue Gaumont-Serien seien derzeit weltweit in Produktion, berichtet Riandée im Gespräch mit Moderatorin Manori Ravindran (Variety). Das Unternehmen unterhält internationale Niederlassungen u.a. in den USA, Großbritannien und auch in Deutschland, wo zuletzt der Netflix-Erfolg „Barbaren“ entstand. In der wachsenden Akzeptanz für nicht-englischsprachige Serien sieht der Vice-CEO ein gutes Zeichen für die gesamte Branche.

Rikke Ennis, Gründerin und CEO von REInvent Studios in Kopenhagen, bestätigte Riandées Eindrücke in der Online-Talkrunde. Mit ihrer Firma hat sie sich länderübergreifend auf die Produktion und den Vertrieb von skandinavischen Filmen und Serien spezialisiert. Die Nachfrage der Streamingdienste nach lokalem Content (und Filmen in Originalsprachen) sei auch in den nordischen Ländern immens, berichtete Ennis. Für Produktionsfirmen sei dies eine komfortable Situation. Allerdings müsse man auch darauf achten, dass angesichts der Masse an Aufträgen die Budgets für die einzelnen Projekte nicht zu klein ausfielen. Überhaupt plädierte Ennis für flexible Modelle bei der Finanzierung, mit denen sich auch die Produzenten in bestimmten Fällen mehr Rechte sichern könnten.

Einig waren sich Riandee und Ennis in der Einschätzung, dass es enorm wichtig sei, langfristige Beziehungen zu möglichst vielen Kreativen aufzubauen und zu pflegen. Auf diese Weise sei es möglich, auf die sich ständig verändernden Anforderungen des Marktes zu reagieren. Ideen, die zunächst abseitig erschienen, könnten schon wenige Jahre später doch gefragt sein, erklärte Riandée. Aus ihrem Bereich nannte Ennis dafür die Krimiserie „Trom“, die an einem ungewöhnlichen Schauplatz angesiedelt ist: den Färöern.

Content Strategies #3: Programming and Commissioning Perspective

Die Programm- und Inhaltestrategie von WarnerMedia, nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Starts des konzerneigenen Streamingdiensts HBO Max, war am 3. März Thema eines Panels bei der virtuellen Berlinale Series Conference. Im Gespräch mit Moderatorin Manori Ravindran (Variety) gaben Hannes Heyelmann, Head of Programming EMEA bei WarnerMedia, und Anke Greifenender, VP Original Procuctions German Speaking Territories, einen Einblick in die Entwicklung bei dem weltweit operierenden US-Medienkonzern. WarnerMedia wolle sich künftig stärker als Einheit präsentieren. Die verschiedenen Teile des Unternehmens wie der frühere Geschäftsbereich von Turner Broadcasting System, das Film- und Fernsehstudio Warner Bros. und der Pay-TV- und Streaming-Anbieter HBO seien zusammengewachsen und versuchten, so gut wie möglich Synergien zu nutzen.

Für HBO Max kündigte Heyelmann an, dass der Streamingdienst nach den USA und Lateinamerika in der zweiten Jahreshälfte 2021 auch in den Nordischen Ländern, Spanien, Portugal und Osteuropa eingeführt werde. Langfristig solle der Dienst in rund 190 Ländern verfügbar sein. Für den Deutschland-Start von HBO Max gibt es bislang noch keinen konkreten Zeitplan. Hierzulande ist Sky ein langjähriger Partner für die Auswertung von HBO-Content und Kinofilmen von Warner Bros. Dies solle bis auf Weiteres auch so bleiben, betonte Heyelmann. Allerdings sei es keine Frage ob, sondern nur wann HBO Max auch in Deutschland gestartet werde. Zu diesem Zeitpunkt wolle man dann auch die Warner-Eigenproduktionen exklusiv auf dieser Plattform auswerten.

Schon seit geraumer Zeit entstehen für den deutschsprachigen Raum Eigenproduktionen für die konzerneigenen Pay-TV-Sender TNT Serie und TNT Comedy. Diese Serien werden von Anke Greifeneder verantwortet. Beim Talk im Rahmen der Berlinale Series Conference kündigte Greifeneder an, dass man sich in diesem Bereich künftig thematisch breiter aufstellen wolle und verstärkt nach Stoffen für junge Erwachsene und auch Genres wie Thriller, Fantasy und Horror suche. Die Covid-19-Pandemie habe das Produktionsaufkommen für den deutschsprachigen Markt glücklicherweise nicht beeinträchtigt. Alle vier im vergangenen Jahr geplanten TNT-Projekte hätten realisiert werden können, sagte Greifeneder. Heyelmann berichtete, um diese Produktionen unter den besonderen Umständen fertigzustellen, seien höhere Investition erforderlich gewesen. Dies zahle sich nun aus, weil man frischen Content anbieten könne, der in den USA derzeit äußerst gefragt sei. Er hoffe, dass das starke amerikanische Interesse an internationalen Produktionen auch in Zeiten nach Corona anhalte.

Content Strategies #4: Creation and Storytelling

Der Siebenteiler „Das Damengambit“ avancierte Ende 2020 zur bislang erfolgreichsten Miniserie auf Netflix und wurde gerade erst mit zwei Golden Globes ausgezeichnet. Nicht zuletzt bescherte die Geschichte um das Waisenmädchen Beth Harmon, das in den 1960er Jahren Karriere als Schach-Profi macht, dem klassischen Denksport vielerorts einen neuen Boom. Im Rahmen der „Content Strategies“-Reihe bei der virtuellen Berlinale Series Conference am 3. März sprach der Regisseur, Drehbuchautor und Executive Producer Scott Frank u.a. über die besonderen Herausforderungen beim Dreh von „Das Damengambit“.

Er habe von Beginn an Wert darauf gelegt, die Schach-Szenen in der Miniserie möglichst interessant zu gestalten. Dazu habe man u.a. mit vielen Großaufnahmen des Gesichts von Hauptdarstellerin Anya Taylor-Joy und mit Soundeffekten gearbeitet. Zudem gehe es in diesen Sequenzen nie um das reine Resultat, sondern um einen größeren Zusammenhang innerhalb der Handlung. Die Schachpartien seien insofern mit Musikstücken in einem Musical zu vergleichen, erklärte Frank im Gespräch mit Moderatorin Manori Ravindran (Variety).

Der Filmemacher hat sich nach eigenen Angaben schon vor rund 20 Jahren erstmals mit dem Stoff beschäftigt, der auf einem Roman von Walter Tevis basiert. Im ersten Anlauf sei „Das Damengambit“ seinerzeit als Kinofilm angedacht gewesen, aber nicht zustande gekommen. Nachdem Frank 2017 die Miniserie „Godless“ für Netflix realisiert hatte, gab ihm der Streamingdienst auch grünes Licht für das Schach-Drama. Mit dem großen Erfolg habe keiner der Beteiligten gerechnet, sagte Frank. Im Nachhinein sei er aber sehr froh, die Geschichte in dem ausführlicheren Miniserien-Format erzählt zu haben und nicht als Film-Einzelstück.
Das „Damengambit“ betrachtet der Showrunner als auserzählt. So sei es auch von Beginn an geplant gewesen. Eine weitere Staffel könne er sich derzeit nicht vorstellen. Eines seiner aktuellen Projekte sei der in Neuseeland gedrehte Thriller „No Exit“. Zudem bereite er eine Serie in Frankreich vor, in der Clive Owen den aus dem Bogart-Klassiker „Die Spur des Falken“ bekannten Detektiv Sam Spade spielen soll. Zudem könnte sich Scott Frank eine baldige Rückkehr nach Berlin vorstellen – zu Dreharbeiten in der Stadt, in der auch schon ein Großteil von „Das Damengambit“ entstanden ist.

Prime Video presents Germany 2021

Die virtuelle Berlinale Series Conference am 3. März hat auch der Streamingdienst Amazon Prime Video zu einer Präsentation seiner Programmstrategie genutzt, insbesondere für den deutschsprachigen Markt. In einer von Nazan Eckes moderierten Einführung erklärte die Chefin von Amazon Studios, Jennifer Salke, dass sich das Unternehmen als „Home of talent“ verstehe. Bei der Produktion von Original-Inhalten für die Plattform arbeite man mit weltbekannten Kreativen, aber auch mit vielversprechenden Newcomern zusammen. Spielfilm-Eigenproduktion wie „Borat Anschluss Moviefilm“ und „Der Prinz aus Zamunda 2“ sollen in Zukunft eine größere Rolle im Portfolio von Amazon Studios spielen. Zudem seien neue Original-Serien wie „The Underground Railroad“ und nicht zuletzt „Der Herr der Ringe“ in Arbeit.

Georgia Brown, die als Direktorin mit Sitz in London die Eigenproduktions-Aktivitäten der Amazon Studios in Europa leitet, wies darauf hin, dass attraktive Stoffe für ein lokales Publikum über den Streamingdienst mit seinen 150 Millionen Kunden auch überall auf der Welt erfolgreich sein könnten. Viele Nutzer*innen seien daran interessiert, neue Sprachen und Kulturen, aber auch ungewohnte Gesichter und Stimmen kennenzulernen. Als Beispiel nannte sie die spanische Historienserie „El Cid“, die weit über ihr Herkunftsland hinaus Erfolge bei Amazon Prime Video gefeiert habe.

Das Grundprinzip, zunächst mit Blick auf das heimische Publikum zu produzieren und damit möglicherweise auch auf breites internationales Interesse zu stoßen, bekräftigte Philip Pratt. Der Head of German Originals bei Amazon Studios beantwortete online bei einer Q&A-Session Fragen von Teilnehmenden der Berlinale Series Conference. Dabei stellte er auch einige der in diesem Jahr geplanten Produktionen vor. Nach dem Start der Serien-Neuinterpretation von „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ und der von Michael „Bully“ Herbig moderierten Comedy-Show „LOL: Last One Laughing“ sollen in diesem Sommer u.a. die Dreharbeiten zu „Der Greif“ beginnen. Bei der sechsteilige Serien-Adaption von Wolfgang Hohlbeins Fantasy-Bestseller arbeitet Amazon mit den Produktionsfirmen W&B Television und DogHaus Film zusammen. Die ebenfalls sechsteilige Serie „Luden“, die im Rotlicht-Milieu auf St. Pauli in den 1970er Jahren spielt, produziert die Firma Neuesuper („Hindafing“) im Auftrag des Streamingdiensts. Zudem stellte Pratt eine Zusammenarbeit mit Thriller-Erfolgsautor Sebastian Fitzek und Ziegler Film bei der Entwicklung einer High-End-Serie in Aussicht. Weitere Projekte seien in Vorbereitung, darunter auch Spielfilme und weitere non-fiktionale Formate. Der Leiter der Amazon Studios für den deutschsprachigen Markt ist nach eigenen Angaben vor allem an Stoffen interessiert, die ein breites Publikum ansprechen. Zudem suche man aber auch nach spezielleren Inhalten für junge Zielgruppen im Alter zwischen 20 und 30 Jahren. Wichtig, betonte Pratt, sei in jedem Fall, dass man den Prime Video-Nutzer*innen etwas Besonderes bieten könne.