18. Verleihung Gerd Ruge Stipendium 2019
Zum 18. Mal vergab die Film- und Medienstiftung NRW heute das Gerd Ruge Stipendium. Das mit bis zu 100.000 Euro dotierte Stipendium ist die höchste Förderung für die Entwicklung von Kino-Dokumentarfilmen in Deutschland. Die Verleihung fand in den Räumlichkeiten der Fritz Thyssen Stiftung in Köln statt.
„Die Jury hat heute vier Projekte aus einem sehr starken Jahrgang ausgewählt. Wir gratulieren den heute ausgewählten Stipendiatinnen und Stipendiaten und unterstützen sie gerne bei der Ausarbeitung ihrer Filmideen. Wir freuen uns auf gute Dokumentarfilme für das Kino“, so Petra Müller, Geschäftsführerin der Film- und Medienstiftung NRW. „Mein Dank gilt allen Filmemacherinnen und Filmemachern, die ihre dokumentarischen Konzepte eingereicht haben. Dank gebührt außerdem Schirmherr Gerd Ruge sowie den Jurykolleginnen und Jurykollegen für die gute Zusammenarbeit.“
Neben Petra Müller gehörten die Regisseurinnen Doris Metz, Ulrike Franke und die Produzentin Birgit Schulz (Bildersturm Filmproduktion) sowie Burkhard Althoff (ZDF – Das kleine Fernsehspiel) der diesjährigen Jury an. Am Tag zuvor hatten sie aus 27 eingereichten Anträgen 4 Projekte ausgewählt und diese mit insgesamt 98.020 Euro gefördert.
Die Gerd Ruge Stipendien 2019
- Moritz Riesewick und Hans Block (NRW/Berlin) erhalten für „Cyberstate“ ein Gerd Ruge Stipendium in Höhe von 30.580 Euro. Nach „The Cleaners“ beschäftigen sich die beiden Regisseure mit der Frage, was wäre, wenn nicht mehr die Politik den Staat regiert, sondern Maschinen den Staat steuern. Google & Co. arbeiten am ‚smart state‘, einer algorithmenbasierten Regierungsform, die Politik überflüssig machen soll. Was heute als kühne Zukunftsvision gilt, ist in den 1970er Jahren im sozialistischen Chile unter Präsident Allende entwickelt worden, allerdings unter anderen Vorzeichen: Güter sollten gerecht verteilt werden und die direktdemokratische Mitbestimmung des Volkes ermöglicht werden. 50 Jahre danach steht die Welt am Scheideweg: Gelingt es uns, Big Data zurückzuerobern? Vier pensionierte Utopisten wollen es noch mal wissen.
- Ekrem Heydo (Berlin) erhält eine Förderung in Höhe von 21.810 Euro für „Dêrik“. Die Familie von Bürgermeister Feremez lebt in der nordsyrischen Stadt Dêrik. Dort entsteht aktuell eine neue Gesellschaftsordnung. Alle Ämter werden doppelt an eine Frau und einen Mann vergeben, patriarchale Strukturen so im Eiltempo abgeschafft. Vorurteile gegen religiöse Minderheiten werden revidiert, da man Seite an Seite gegen den IS gekämpft hat. In diesem Spannungsfeld bewegt sich die Familie von Feremez, zwischen der Möglichkeit, die Zukunft erstmalig mitgestalten zu können, gesellschaftlichen Umbrüchen und dem Kampf gegen den radikalen Islam.
- „Rukla – Feind ohne Namen“ von Steffi Wurster (Berlin) wird mit einem Stipendium in Höhe von 15.740 Euro ausgezeichnet. Der Dokumentarfilm beobachtet die wachsende Militarisierung an einer Ost-West-Grenze. Ausgehend vom neuen NATO-Standort in der litauischen Kleinstadt Rukla fragt der Film, inwieweit es sich dort um eine gefühlte Bedrohung oder ein konkretes Szenario handelt. Die Perspektive eines Bundeswehr-Soldaten wird neben die Vor-Ort-Lebensrealitäten eines prorussischen Bloggers und einer jungen litauischen Rekrutin gestellt. Sie sind Geiseln wie Mitkonstrukteure einer Welt, in der das Freund-Feind-Denken Hochkonjunktur hat.
- Ein Stipendium in Höhe von 29.890 Euro geht an Diana Näcke (Berlin) für „The Fish Knows Everything“: Ein modernes Märchen aus Istanbul, das einen essayistischen Querschnitt durch Lebenssituationen der Stadt formt, die die Auswirkungen der Politik widerspiegeln. Istanbul wird zur Hauptfigur, ihr Sprachrohr ist ein Delfin, einer von fünfzig, die heute noch im Bosporus unter katastrophalen Bedingungen leben. Der Delfin kündigt den bevorstehenden Untergang Istanbuls an, bei dem 50.000 Menschen sterben werden. Nur drei menschliche Krieger können seine Warnung verstehen.
18 Jahre Gerd Ruge Stipendium
Seit 2002 wurden 91 Stipendien vergeben, von denen bisher 46 Projekte realisiert wurden. Zu den Dokumentarfilmen, die seit 2002 mit Hilfe des Gerd Ruge Stipendiums entstanden sind, gehören u.a. „Vom Ordnen der Dinge“ von Jürgen Brügger und Jörg Haaßengier, die 2016 einen Grimme Preis erhielten, „Fighter“ von Susanne Binninger und der mit dem CIVIS Medienpreis 2019 ausgezeichnete „Als Paul über das Meer kam“ (AT: „Europas Grenzen“) von Jakob Preuss, die Projekte „Briefe aus Athen“ (AT: „Portät des Vaters zu Zeiten des Krieges“) von Timon Koulmasis und „Aggregat“ (AT: „Political Animals“) von Marie Wilke sowie „Der Funktionär“ (AT: „Bilder meines Vaters“) von Andreas Goldstein und „Searching Eva“ von Pia Hellenthal, der bei der diesjährigen Berlinale Premiere feierte.
Mit ihrem Stipendium will die Film- und Medienstiftung NRW talentierten Filmemacherinnen und Filmemachern die Möglichkeit geben, ihre non-fiktionalen Filmideen zu verwirklichen und dazu beitragen, dass anspruchsvolle Kino-Dokumentarfilme entstehen können. Nach der Zusage haben die Stipendiatinnen und Stipendiaten 18 Monate Zeit, ein qualitativ hochwertiges Dokumentarfilmprojekt für das Kino zu entwickeln.