Abschluss einer langen Geschichte: Kinodigitalisierung kommt in Fahrt
„Beim Kinokongress stehen Austausch und Gespräche im Vordergrund“, erklärte Veranstalterin und Geschäftsführerin der Film- und Medienstiftung NRW Petra Müller direkt zur Begrüßung die Quintessenz der Veranstaltung in Köln. Dass es so ist, zeigten besonders die Panels zum Stand der Kinodigitalisierung „Digitale Partnerschaft? Kinobetreiber und Filmverleiher auf neuen Wegen“ und „Der digitale Kinoalltag: Technische Erneuerung und neue Programmierungsmöglichkeiten“.
Erst vor kurzem schlossen sich die Kreise: Nach dem Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) und Filmförderungsanstalt (FFA) erklärten sich Anfang November auch die Filmverleiher bereit, die Digitalisierung der Kriterienkinos mit zu finanzieren. Damit kann nun das Geld aus dem Treuhandmodell der FFA an die Lichtspieltheater ausgeschüttet werden, damit diese sich auf digitalen Betrieb umrüsten können. Die Bemerkung von Moderator Helmut Hartung von Promedia „Sind jetzt alle Fragen geklärt?“, konnte dennoch nur rhetorisch sein. Denn der Vorsitzende der AG Kino Christian Bräuer begrüßte zwar den Start der Auszahlungen, äußerte sich aber ansonsten sorgenvoll: „Die Umrüstung wird ja nicht komplett gefördert. Und wie hoch sind die Folgekosten?“ So würde ein digitaler Projektor, der über 70.000 Euro koste mit höchstens 25 Prozent dieser Summe gefördert. Zudem müssten Vorführräume klimatisiert werden und auch die Stromkosten vervielfachten sich. Auch wäre das technische Equipment im Gegensatz zu früher regelmäßig upzudaten.
Der Geschäftsführer des Verbandes der Filmverleiher Johannes Klingsporn konnte die Skepsis nicht verstehen: „Die gesamte Gesellschaft digitalisiert sich. Es ist gut, dass es jetzt im Kinobereich endlich eine einheitliche technische Infrastruktur geben wird.“
Wie die Praxis in bereits umgerüsteten Betrieben aussieht, wurde dann anschließend deutlich, als Britta Lengowski von der Film- und Medienstiftung drei Kinobetreiber vorstellte, die ihre Erfahrungen mitteilten.
Margarete Papenhoff etwa investierte für ihre vier Kinosäle in Rosslenbroich, Ratingen und Mettmann 180.000 Euro. Die Hälfte der Summe finanzierte sie selbst über Bankkredite: „Wir haben die Eintrittspreise erhöht und bieten den Serivce eines Filmtheaters. Daneben können wir jetzt am Vormittag die Kinos für Veranstaltungen vermieten, zum Beispiel fand bei uns ein Wirtschaftsforum für Studenten statt. Dort werden dann eigene Blue Rays mit den entsprechenden Themen gezeigt.“
Mustafa El Mesaoudi konnte sein Engagement in die Umrüstung seiner Theater in Wuppertal, Mönchengladbach und Grevenbroich bereits refinanzieren: „Wir hatten uns zum Start von ‚Pina’ bereits umgestellt, und das war sehr erfolgreich.“ Allerdings kritisierte er, dass ihm die Umstellung keine neuen Besucher bescheren würde: „Das ist das grundsätzliche Problem mit dem Investment – sie dient nicht dem Wachstum.“
Der Kongressteilnehmer und Kinobetreiber aus Warburg Heribert Schlinker konnte jedoch verblüffende Zahlen zur Diskussion beisteuern. Im August 2010 begann er seine Kinos zu digitalisieren. Alle sechs Säle sind mittlerweile entsprechend umgerüstet. Die Gesamtkosten dafür beliefen sich inklusive 3D-Bespielung in vier Sälen auf rund 650.000 Euro. 200.000 Euro stammten aus öffentlichen Zuschüssen, den Rest trug er selbst: „Es gab erhebliche Folgekosten – das sind vor allem die Zinsen und die Stromkosten. Wir hatten einen Stromverbrauch von 104.000 Kilowattstunden pro Jahr vor der Digitalisierung, danach 140.000 Kilowattstunden.“ Das bedeutete eine Steigerung der Stromkosten von 25.000 auf 39.000 Euro. „Wir haben in der Folge die Eintrittspreise um 50 Cent erhöht, wobei uns nur 20 Cent beleiben, da der Rest an Gema und Verleih geht, aber“, so Schlinker weiter, „unsere Besucherzahlen sind gewaltig gestiegen. Vor zwei Jahren hatten wir 88.000 Besucher, in diesem Jahr rechnen wir mit 150.000 Besuchern. Wir sind damit in der Lage, unsere Kosten einzuspielen.“
Trotz dieses positiven Beispiels befürchtete der Inhaber des Cinema Filmtheater Münster Thomas Behm, dass durch die Digitalisierung „Kino als Architektur“ bald überflüssig werden könnte: „An allen möglichen anderen Orten können digitale Übertragungen gezeigt werden.“
Unregelmäßigkeiten und Irritationen, die bei der Einführung des digitalen Betriebs immer wieder von den Kinobetreibern kritisiert werden, sahen der ehemalige Sales Director der 20th Century Fox Deutschland Mychael Berg und der Verkaufs- und Marketingleiter der Pandora Filmverleih Björn Hoffmann abschließend als typische Anlaufschwierigkeiten, denen nicht zu viel Bedeutung beigemessen werden sollte: „Hier ist ein tief greifender Prozess im Gang, der sich über kurz oder lang regeln wird.“