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Film und Medien Stiftung NRWNewsNewsBerlinale Series Market 2023 am Dienstag: Starke Geschichten als wichtige Grundlage

Berlinale Series Market 2023 am Dienstag: Starke Geschichten als wichtige Grundlage

Die israelische Erfolgsserie „Kvodo“ war am Dienstag, 21. Februar, ein Thema am zweiten Tag des Berlinale Series Market 2023, der im Rahmen des European Film Market (EFM) mit Unterstützung des Hauptpartners Film- und Medienstiftung NRW ausgerichtet wird. Auf einem von BSM-Programmchefin Rebecca Roth moderierten Panel berichteten Produzentin Danna Stern sowie Co-Creator und Showrunner Ron Ninio über die Entstehung und die hohe internationale Akzeptanz des Formats, das bereits in zehn Ländern adaptiert wurde – u.a. in Deutschland als „Euer Ehren“ mit Hauptdarsteller Sebastian Koch. Schon in einem frühen Stadium, noch vor dem Serienstart in Israel, habe sie für „Kvodo“ ein Shopping Agreement für die USA vereinbart, berichtete Stern. Damit habe sich einmal mehr gezeigt, wie wichtig die Pflege persönlicher Kontakte in der Branche und auch Gespräche im Umfeld von Festivals seien. In Zeiten kleinerer Budgets und weniger Risikofreude bei Sendern und Plattformen sei es noch schwieriger, Abnehmer für die Originalserien in hebräischer Sprache zu finden. Daher sei der Formatverkauf besonders attraktiv. Dass aus dem vergleichsweise kleinen Markt Israel immer wieder international erfolgreiche Serienformate hervorgingen, begründete Ninio u.a. mit der stark an Charakteren orientierten Erzählweise. Stoffe wie die Vater-Sohn-Geschichte in „Kvodo“ seien universell und ließen sich auch problemlos in andere Umfelder transportieren. Der Showrunner riet allen Kreativen, sich bei der Entwicklung auf die Stärken der Geschichte zu konzentrieren, die ruhig regional geprägt erzählt werden könnten. Das stehe einer möglichen internationalen Umsetzung nicht im Wege.

Bei einem weiteren Panel standen die Content-Strategien von Amazon Prime Video in unterschiedlichen Territorien im Mittelpunkt. Wangi Mba-Uzoukwu, Head of Nigerian Originals, und ihre in Stockholm als Head of Nordic Originals ansässige Kollegin Karin Lindström kamen ebenso zu Wort wie Philip Pratt, Head of German Originals. Alle drei betonten, wie wichtig es sei, neben den großen, global ausgerichteten Amazon-Eigenproduktionen wie „Der Herr der Ringe“ auch gezielt auf die jeweiligen Märkte zugeschnittene Inhalte zu bieten. Dabei gebe es sogar in den einzelnen nordischen Ländern jeweils unterschiedliche Genre-Vorlieben des Publikums, betonte Lindström. Es sei besonders spannend und herausfordernd, hierfür die richtige Strategie zu finden. Mba-Uzoukwu verwies auf die starke Filmindustrie Nigerias („Nollywood“), die auch für Prime Video eine gute Content-Grundlage biete. Es sei allerdings auch sinnvoll, bislang noch weniger repräsentierte Inhalte zu bieten. Sie sehe zum Beispiel Bedarf an leichter erzählten Stoffen mit einem optimistischen Unterton. Die Beobachtungen des Trios zeigten, dass Comedy nahezu immer und überall funktioniert – derzeit namentlich in Form der Show „LOL – Last One Laughing“. Pratt zählte sie neben der Serie „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ als eine der bislang erfolgreichsten deutschen Eigenproduktionen für Prime Video auf. Mit zehn bis zwölf weiteren Originalproduktionen pro Jahr wolle man hieran anknüpfen. Noch in diesem Jahr stünde der Start von High-End-Serien wie „Luden“, „Der Greif“ und „Die Therapie“ auf dem Programmplan. Für 2024 stellte Pratt u.a. ein eigenproduziertes Format mit Anke Engelke und Bastian Pastewka in Aussicht.

Ebenfalls thematisiert beim zweiten Tag des Berlinale Series Market wurde das derzeit überaus populäre Format der Doku-Serien. An der Gesprächsrunde unter dem Titel „Quo Vadis Docu Series?“ nahm u.a. Benji Bergmann, Mitgründer der Wiener Produktionsfirma Babka, teil. Er bekräftigte zwar die Tatsache, dass der Markt für Dokumentationen durch die erheblichen Investitionen der Streamer eine Hochphase erlebe, gab aber gleichzeitig zu bedenken, dass schon bald eine Sättigung erreicht sein könnte. Ähnlich äußerte sich Georg Tschurtschenthaler, Chief Creative Officer der u.a. in Berlin und Köln ansässigen gebrüder beetz Filmproduktion. Neue Geldgeber wie Netflix hätten den Markt für Doku-Serien durchaus zum Positiven verändert. Allerdings sei zu beobachten, dass bei der Auswahl der Inhalte sperrige Stoffe kaum noch Chancen hätten. Gefragt seien vor allem populäre Geschichten mit bekannten Protagonist:innen. Er hoffe, dass in absehbarer Zeit auch eine komplexe politische Dokumentation großen Erfolg haben werde. Die per Video aus London zugeschaltete Filmemacherin Felicity Morris zeigte anhand ihres erfolgreichen Netflix-Dokumentarfilms „Der Tinder-Schwindler“ auf, dass auch die Aufbereitung eines weniger bekannten Kriminalfalls wie dem des Dating-App-Hochstaplers Simon Leviev durchaus ihr Publikum finden könne. Regisseur Florian Opitz und Tschurtschenthaler waren sich einig, dass es eine Trennschärfe zwischen recherchierten journalistischen Dokumentationen auf der einen und zum Beispiel von Celebritys selbst produzierten und kontrollierten Formaten auf der anderen Seite geben müsse. Opitz, der die von der Kölner Fruitmarket produzierte Berlin-Serie „Capital B“ inszeniert, schilderte zudem eine weitere Auswirkung des Engagements der Streamer im Doku-Bereich. Öffentlich-rechtliche Partner, in diesem Fall WDR, RBB und Arte, reagierten aufgrund des erhöhten Konkurrenzdrucks mittlerweile flexibler. So sei „Capital B“ von vier auf fünf Folgen erweitert worden, weil es allen Beteiligten in inhaltlicher Hinsicht sinnvoll erschien.

RTL und Warner Bros. Discovery nutzten den Berlinale Series Market, um exklusiv zwei Folgen ihres ersten gemeinsamen Projekts vorzuführen, der Thriller-Serie „Zwei Seiten des Abgrunds“. Eingeleitet wurde das Screening durch einen kurzen Talk mit Verantwortlichen der beiden Unternehmen sowie Schöpferin und Autorin Kristin Derfler. Sie zeigte sich überaus zufrieden mit der Zusammenarbeit mit Regisseur Anno Saul sowie dem Cast um Hauptdarstellerin Anne Ratte-Polle. Ihr selbst seien bei der Entwicklung der Geschichte viele Freiheiten gelassen worden, betonte Derfler. Zum ersten Mal habe sie „ohne Handbremse“ arbeiten können. Marlene Beran, Director Original Productions GSA & CEE bei Warner Bros. Discovery, hob die Qualität des Stoffes hervor, der sie und Eigenproduktionschefin Anke Greifeneder an ein Shakespeare-Drama erinnert habe. Zudem mache der eher ungewöhnliche Schauplatz Wuppertal die Serie zusätzlich interessant. Bernd von Fehrn, Executive Producer bei Warner Bros. ITVP Germany, lobte die konstruktive Atmosphäre bei der Zusammenarbeit der beiden Player RTL und Warner. Er hätte im Vorfeld viel mehr Konflikte erwartet. Ausgewertet wird „Zwei Seiten des Abgrunds“ zunächst mit einem zeitgleichen Start bei RTL+ und Warner TV Serie in Deutschland sowie international beim Streamingdienst HBO Max. Hauke Bartel, Head of Fiction bei RTL Deutschland, sieht diese Strategie selbst als „Experiment“. Es gehe u.a. darum, durch die parallele Auswertung auf mehreren Plattformen möglichst viel Aufmerksamkeit für die Serie zu generieren. Eine Free-TV-Ausstrahlung auf Vox soll folgen.

Mehr Informationen und das Programm für Mittwoch des Berlinale Series Markets hier

Einen Podcast vom EFM gibt es hier