Instagram
Film und Medien Stiftung NRWNewsNewsDas Jahr der Frauen

Das Jahr der Frauen

Selten waren so viele Regisseurinnen so erfolgreich im deutschen Film. Ist das nur Zufall oder erstes Anzeichen einer grundlegenden Trendwende?

von Marion Meyer

Es gab kaum ein Jahr, in dem so viel über deutsche Regisseurinnen und ihre Filme berichtet und diskutiert wurde wie 2016. Vor allem drei Namen stehen dabei immer ganz oben auf der Liste: Maren Ade, Maria Schrader und Nicolette Krebitz. Und die Nachrichten sind immer positiv: Es geht um Auszeichnungen oder Preis-Nominierungen, um Besucherzahlen oder begeisterte Zuschauerreaktionen weltweit.

Die jüngste Meldung mit Strahlkraft ist die der Oscar-Nominierungen für den Besten fremdsprachigen Film für Maren Ades Ausnahmeproduktion "Toni Erdmann". Nach dem ebenfalls filmstiftungsgeförderten Debüt "Mustang" von Deniz Gamze Ergüven im Vorjahr geht damit erneut die Inszenierung einer Regisseurin ins Oscar-Rennen. Und nicht zu vergessen: Maria Schraders Drama "Vor der Morgenröte" stand bis Anfang 2017 für Österreich auf der OscarShortlist.

Nominierte Regisseurinnen

Auch die im Januar bekannt gegebenen Nominierungen für den Preis der deutschen Filmkritik 2016 werden von den drei Regisseurinnen dominiert: Sechs Nominierungen gehen an "Toni Erdmann", fünf Nominierungen an "Vor der Morgenröte" und vier Nominierungen an "Wild" von Nicolette Krebitz. Der Film "Wild", produziert von der Kölner Produzentin Bettina Brokemper (Heimatfilm), startete das sich zum "Jahr der Frauen" entwickelnde Filmjahr 2016 mit seiner Teilnahme beim Sundance Film Festival. Krebitz erzählt darin die gleichermaßen faszinierende wie verstörende Liebesgeschichte zwischen einer einsamen Frau und einem Wolf.

"Vor der Morgenröte", die zweite Regiearbeit der Schauspielerin Maria Schrader, handelt von den letzten Monaten des Dichters Stefan Zweig im Exil in Südamerika und zeigt, wie er daran verzweifelt, dass seine Heimat der Barbarei der Nazis zum Opfer fällt. Sie verzeichnet mit ihrem bemerkenswerten historischen Film bereits mehr als 220.000 Zuschauer. "Toni Erdmann", der Liebling der Kritiker in Cannes über die erfrischend ungewöhnliche und vielschichtige Annäherung von Vater und Tochter, verzeichnet bereits weit über 800.000 Besucher. Zugleich führt er die Jahresbilanz der deutschen ArthouseCharts 2016 als erfolgreichster Film an.

Und weitere deutsche Regiefrauen legten vergangenes Jahr viel beachtete Filme vor: Julia von Heinz wanderte mit "Ich bin dann mal weg" auf Hape Kerkelings Spuren, Doris Dörrie kehrte mit "Grüße aus Fukushima" nach Japan zurück, Karoline Herfurth gab mit "SMS für Dich" ihr Regiedebüt, Isabel Stevers "Das Wetter in geschlossenen Räumen” zeigte eine Entwicklungshelferin zwischen Jetset und Flüchtlingsarmut, Heidi Specogna präsentierte die dokumentarische Langzeitbeobachtung "Cahier Africain" und "24 Wochen" von Anna Zohra Berrached nahm am Wettbewerb der Berlinale teil und sorgte auch danach mit dem Thema Spätabtreibung für Diskussionen. Corinna Belz näherte sich außerdem in ihrem Dokumentarfilm "Peter Handke – Bin im Wald. Kann sein dass ich mich verspäte…" dem medienscheuen Schriftsteller.

Frauen als Impulsgeber

Es gibt also viele Gründe, dieses Kinojahr als "Jahr der Frauen" zu titulieren. Das alles kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass "Regisseurinnen im Kino weiter stark unterrepräsentiert" sind, wie Petra Müller, Geschäftsführerin der Film- und Medienstiftung, anlässlich des Film- und Kinokongresses im November in Köln, feststellte. Obwohl 40 Prozent der Absolventinnen der Filmhochschule weiblich und mit ihren Abschlussfilmen auf vielen Festivals präsent sind, stammen nur 16 Prozent aller Kinofilme von Filmemacherinnen (Jahr 2015). Eine Tatsache, die nicht nur die Initiative Pro Quote Regie bemängelt. Trotzdem sind es gerade die Filme von Frauen, die dem deutschen Kino momentan seine Impulse geben und durch ganz eigene Erzählarten das Publikum begeistern.

Maren Ade und Maria Schrader wurden beim Kinokongress 2016 mit dem renommierten Herbert-Strate-Preis ausgezeichnet und berichteten in einem Werkstattgespräch über ihre Arbeit an ihren jüngsten Filmen. Die mit Preisen derzeit überhäufte Regisseurin Maren Ade hat zunächst Produktion studiert und lässt sich gerne Zeit mit ihren Projekten. In 13 Jahren hat sie drei Filme vorgelegt, das liegt aber auch daran, dass sie sehr penibel daran arbeitet und ihre Bücher entwickelt. "Man bekommt ja nicht so oft die Chance", sagt sie bescheiden. Beim Dreh ist sie ebenfalls sehr genau, "40 bis 50 Takes sind keine Seltenheit", gibt sie zu. "Ich bin oft unzufrieden und denke, es geht auch besser." Als Produzentin kann sie schließlich entscheiden, dass eine Szene nochmal neu gedreht wird, das genießt sie an der Doppelrolle. Schade findet sie, dass nicht mehr Frauen Regie führen – "das ist so ein toller Beruf", meint Ade.

Auch das Jahr 2017 bringt vielversprechende Projekte auf die Leinwand, etwa Dagmar Seumes Pferdefilm "Wendy", Isabel Prahls "Tausend Arten, den Regen zu beschreiben", Sandra Nettelbecks "Was uns nicht umbringt" oder Lola Randls "Fühlen Sie sich manchmal ausgebrannt…" Margarethe von Trotta, die seit Jahren als Regisseurin die deutsche Kinolandschaft prägt, erhält 2017 den Helmut-Käutner-Preis und dreht ihren neuen Film "The Odd Couple" in NRW. In einer der Hauptrollen, wie schon beim Erfolgsfilm "Hannah Arendt", ist die Schauspielerin Barbara Sukowa zu sehen, die mit von Trotta seit Jahren ein starkes Frauengespann bildet. Ob es wirklich weibliche Eigenschaften beim Regieführen gibt, ob Filme von Frauen anders sind, sie andere Stoffe wählen und diese einfühlsamer umsetzen – das wird immer wieder diskutiert. Fest steht, dass Regisseurinnen spannende, aufrührende und erfolgreiche Filme inszenieren statt darüber zu sinnieren, ob sie am Set unterrepräsentiert sein könnten.

Text aus dem aktuellen Film und Medien NRW – Das Magazin.