Die Vernetzung von Sein und Zeit: Neue Erzählstrukturen fürs Kino
Der kreative Höhepunkt des Kinokongress der Film- und Medienstiftung NRW war das Werkstattgespräch, das Blickpunkt:Film Chefredakteur Thomas Schultze mit dem Produzenten Stefan Arndt und dem Regisseur Tom Tykwer über deren Mammutprojekt „Cloud Atlas“ führte.
Gerade die als unverfilmbar geltende nichtlineare Struktur der Romanvorlage hatte die beiden Kreativen bewogen, sich des Stoffes anzunehmen. „Sechs große Geschichten ergeben vielleicht sechs große Filme, aber einen einzigen großen Film? Das war schon eine Herausforderung“, bekannte der Wuppertaler Regisseur, der mit seiner Arbeit, die Sogwirkung des Buches audiovisuell übertragen wollte. Dieselbe Faszination hatte auch Arndt ergriffen: „Eine große Geschichte über alle Zeiten und Orte zu erzählen – das ist für jeden Filmemacher ein Traum.“
Mit einem Budget von 100 Millionen Euro und Weltstars wie Tom Hanks und Halle Berry konnte dieser Traum in 60 Drehtagen verwirklicht werden, der allerdings das ein oder andere Mal zum Alptraum zu werden drohte. Angefangen bei der Suche nach Finanziers und Partnern über unerwartete Absprünge von Geldgebern, die sogar schon die ersten Raten überwiesen hatten bis hin zu Halle Berry, die sich nach den ersten Drehtagen ein Bein brach.
Kurios erschienen den beiden die Verhandlungen mit den „US-Majors“, die sich zwar alle mit dem Projekt beschäftigt, aber letztlich keine Zusage erteilt hatten. Das Warner Bros. dann doch einstieg, betrachtete das Duo als großes Glück.
Dazu kamen künstlerische Bedenken: Auch wenn zum Beispiel die Studios, in denen die Szenen, die im 18. und 25. Jahrhundert spielten, nur wenige Meter voneinander entfernt lagen, fragte sich der Regisseur während der Dreharbeiten immer wieder: „Kann man zwischen den Epochen hin und her springen? Die Schauspieler waren die Knetmasse, mit der das möglich wurde. Ich als Regisseur habe da lediglich eine Art Schleusenfunktion.“
Die Zusammenarbeit mit den beiden anderen Regisseuren Lana und Andy Wachowski schilderte Tykwer als Bereicherung: „Als wir im Schneideraum waren, haben wir uns gesagt, erst wenn alle in diesem Raum, einschließlich des Cutters, zufrieden sind, machen wir weiter. Dieses Prinzip kann ich nur empfehlen.“
Tykwer betonte außerdem, dass die Filmmusik eine wichtigere Rolle einnehmen müsse. Bei „Cloud Atlas“ hatte er das Thema bereits im Vorfeld entworfen und einspielen lassen.
Dass der Film jetzt nicht zeitgleich in den 70 Ländern, in denen er zu sehen sein wird, startete, bedauerte Arndt: „Aber das in der Zusammenarbeit mit 70 Verleihern in so vielen Ländern zu schaffen – das ist eine große Herausforderung.“
Arndt und Tykwer sehen ihre Arbeit als den Versuch einer zeitgemäßen Form für das Erzählen großer Geschichten im Kino. Analog zur Digitalisierung, die als technisches Vehikel das Zusammentreffen verschiedener Ereignisse, Orte und Zeiten sowie die Einheitlichkeit hinter jeglichen Gegensätzen erkennbar macht, haben sie diese Vernetzung in „Cloud Atlas“ inszeniert