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Filmkongress: Das Sicherheitsdenken begrenzt den kreativen Freiraum

Frisch aus Cannes – heute mittag im Filmforum NRW: Kinospecial "Gegenüber" von Jan Bonny – Anschließende Diskussion "Jetzt kommen wir – Junge Filme auf dem Weg"

Mit dem packenden, emotionsgeladenen Kinodrama "Gegenüber" von Jan Bonny starteten heute mittag (17. Juni) im Filmforum NRW die KinoSpecials der Filmstiftung NRW. In diesem eindrucksvollen Spielfilmdebüt schildert der junge Kölner Filmemacher, wie eine Ehefrau zunehmend aggressiv auf die Passivität ihres Mannes reagiert. Für die Hauptdarstellerin Victoria von Trautmannsdorffstellte diese Rolle eine große Herausforderung dar: "Ich habe mir vorgestellt, wie sich jemand fühlt, der von seinem Gegenüber abgeblockt und nie in seiner Emotionalität wahrgenommen wird." Dabei habe sich die Frage gestellt, wie weit sie gehen müsse, um von ihm erhört zu werden. "Sie schlägt ihn brutal, weil sie eine große Wut hat. Ich habe versucht heraus-zufinden, woher diese Wut stammt." Der Filmtitel "Gegenüber" drücke die Ambivalenz dieser Hassliebe aus, die das Paar miteinander verbinde. "Die beiden sind wie ein sich zerrissener Mensch", unterstrich Trauttmansdorff.

"Es ist schön, dass unser Film jetzt auch in Köln läuft", erklärte der Regisseur Jan Bonny, der sich für "Gegenüber" bei den 60. Internationalen Filmfest-spielen in Cannes in der 'Quinzaine des Réalisateurs' vor drei Wochen über eine Lobende Erwähnung freuen durfte. "Wir hoffen", ergänzte Produzent Johannes Rexin von der Kölner Firma Heimatfilm, "dass unser Film nach der guten Aufnahme in Cannes auch in Deutschland gut ankommt!" Beim KinoSpecial in Köln begrüßte das Publikum den Hauptdarsteller Matthias Brandt mit langem Applaus. Für den renommierten Schauspieler stellt "Gegenüber" nicht die erste Zusammenarbeit mit einem deutschen Nachwuchsregisseur dar. Zuvor hatte er z.B. auch in "Leben mit Hannah" von Erica von Möller mitgespielt.

Beim anschließenden Filmgespräch mit den Nachwuchsregisseuren Luzia Schmid ("Lost in Liberia"), Benjamin Reding ("Für den unbekannten Hund"), Jan Bonny ("Gegenüber"), Erica von Möller ("Leben mit Hannah") sowie dem Produzenten Markus Halberschmidt ("Armin") erläuterte Brandt, wie er seine Rollen auswähle. "Ein Projekt muss mich überzeugen", betonte der Schau-spieler. In Deutschland sei die Filmproduktion von einem großen Sicherheits-denken geprägt. "Das macht es gerade den Newcomern sehr schwer, weil sie noch keinen Beweis ihrer Fähigkeiten liefern können, bevor sie ihren ersten Film realisiert haben." Es sei daher wichtig, den Nachwuchstalenten diese Freiheit zuzugestehen. "Dieser Beruf lässt sich nur begrenzt akademisch erlernen", weiß Brandt. "Daher braucht man eine Intuition, Talente zu erkennen, ohne vorher ein Ergebnis auf der Leinwand gesehen zu haben." Zu der Story von "Gegenüber" wurde Bonny durch eine Meldung in der Zeitung inspiriert, die thematisierte, dass Gewalt durchaus auch von Frauen ausgehen kann. "Die Meldung war so kurz", berichtet der Filmemacher, "dass ich das Gefühl hatte, dass die Geschichte, die dahinter steckt, nicht erzählt werden sollte."

Für den Nachwuchsregisseur Benjamin Reding, vor acht Jahren mit "Oi! Warning" einen Überraschungserfolg landete, ist die Filmbranche mit einem "Dschungel-Camp" vergleichbar. "Wer Angst vor Vogelspinnen hat, sollte da lieber nicht hineingehen. Unter diesem Druck ist es schwer, seine eigene Handschrift zu behalten." Auch Luzia Schmid ist es wichtig, wieder die künstlerische Freiheit zurück zu gewinnen, die sie einst in der Hochschule genossen hat. "Als Filmemacherin brauche ich einen Freiraum, um gewisse Dinge auszuprobieren." Diese Art von Freiraum versucht Markus Halber-schmidt, Produzent der Düsseldorfer Firma Busse & Halberschmidt, jungen Talenten zu gewähren. "Es ist mir wichtig, die Regisseure nicht zu verbiegen. Ich arbeite daher gerne mit Filmemachern zusammen, die nicht nur ihr Handwerk verstehen, sondern auch etwas zu sagen haben." Für ihn bestehe die Kunst beim Produzieren darin, es als kreativen Prozess zu sehen, mit genau diesen Anforderungen umzugehen. "Zum Filmemachen braucht man einen langen Atem", resümiert Erika von Möller. Nach ihrem Debütfilm – in der Hauptrolle: Nina Hoss – wurde ihr jetzt ein Stoff angeboten, in dem eine Frau in der 20er Jahren mit dem Auto um die Welt fährt. "Ich schreibe gerade gemeinsam mit dem Autor das Drehbuch, für das wir Förderung von der Filmstiftung NRW erhalten haben", freut sich die Filmemacherin. "Im Herbst geht es auf Weltreise." Die Diskussion wurde von Frank Olbert (Kölner StadtAnzeiger) moderiert.

Interessante filmische Reisen bieten auch die KinoSpecials, die am heutigen Sonntag mit den drei Filmen "Lost in Liberia" von Luzia Schmid, "Für den unbekannten Hund" von Dominik und Benjamin Reding sowie mit dem deutschen Wettbewerbsbeitrag in Cannes, "Auf der anderen Seite" von Fatih Akin, fortgesetzt werden. Katharina Blum (Filmstiftung NRW), die Leiterin des Int. Filmkongresses, wies in ihrer Begrüßung auch auf die Kurzfilme hin, die jeweils vor den KinoSpecials gezeigt werden: Ausgesucht wurden sie von Marita Quaas vom Kölner Kurzfilmfestival Unlimited.