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Film und Medien Stiftung NRWNewsPressemitteilungenInt. Filmkongress – Panel: "grenzenlos film – Kino als erweiterter Lebensraum " (18.6., 15 Uhr)

Int. Filmkongress – Panel: "grenzenlos film – Kino als erweiterter Lebensraum " (18.6., 15 Uhr)

Der Kampf gegen die Erlegung der Kultur in Europa

"'Auf der anderen Seite' von Fatih Akin, der am Sonntagabend vor vollem Haus als Kino Special präsentiert wurde, ist ein aktuelles und gutes Beispiel dafür, wie schön es ist, europäische Filme zu produzieren, und dass zurzeit berührende neue Filme entstehen. Das geschieht durch die gezielte Förderung von jungen, arrivierten Talenten, was uns ganz besondere Freude macht", konstatierte Michael Schmid-Ospach, Geschäftsführer der Filmstiftung NRW, auf dem Internationalen Filmkongress vor Beginn des 2. Panels "grenzenlos Film".

"Es gab in Deutschland noch nie ein so gutes Klima, Filme zu produ-zieren. Die Situation ist besser, als sie je war. Ich hoffe dringend, dass es bald eine Regelung gibt, die das Produzieren in Europa begünstigt – derzeit gibt es leider zuwenig Unterstützung für bi- oder trilaterale Filmproduktionen."

Links: Michael Schmid-Ospach bei seiner Begrüßung

Im sich öffnenden Europa müsse auch in den einzelnen Ländern eine dementsprechende Unterstützung für länderübergreifende Filmproduktionen geschaffen werden.

Zum aktuellen Rechtsstreit um die Ausstrahlung von "Eine letzte Tablette", dem TV-Drama von Adolf Winkelmann über den Contergan-Skandal, kommentierteSchmid-Ospach: "Ein Pharmakonzern versucht derzeit zu verhindern, dass dieser Film gesehen werden kann. Auf dem Filmfest München und dem neuen Roma Fiction Fest kann er nicht gezeigt werden! Das Bundesverfassungsgericht beschäftigt sich derzeit mit diesem Fall. Da wird sich die künstlerische Freiheit des Filmemachens entscheiden. Es geht um ein Grundrecht. Ich bin da optimistisch, weil die Freiheit der Kunst und der Medien in Karlsruhe immer in guten Händen war. Das Arbeiten würde unendlich schwierig für uns werden, wenn Großkonzerne wichtige Filme verhindern können."

Arte-Präsident Jérôme Clément: "Es ist wichtig, dass
Europa seine kulturelle Vielfalt zeigt."

In der Keynote zum Panel "grenzenlos film" warf der Arte-Präsident Jérôme Clément die zentrale Frage auf, welche Art von Filmen das Publikum sehen wolle.

In Europa dominierten nach wie vor amerikanische Produktionen den Markt. In Frankreich habe der nationale Marktanteil mit 44,2 % im letzten Jahr über dem des US-Films gelegen, während nur neun Prozent des Gesamtkuchens auf den europäischen Film entfallen sei. In Deutschland lag der Marktanteil der US-Produktionen 2005 sogar bei 65 %, während der europäische Film nur acht Prozent erreichte. Um den Vertrieb von europäischen Filmen zu unterstützen, seien verschiedene Instrumente entwickelt worden. Dazu zählten nationale Förderprogramme, das MEDIA-Programm, das für den Zeitraum 2007 – 2014 insgesamt 755 Mio. Euro für europäische Filme bereitstelle oder das Mini-Traitée zwischen Deutschland und Frankreich, in dessen Rahmen mittlerweile 36 Koproduktionen entstanden seien. "Es wird immer schwieriger, Kinofilme an die Sender zu verkaufen", erklärte Clément . Gleichzeitig verkürze sich die Auswertungszeit in den Fenstern für Kino, DVD, VoD und TV.

Die Teilnehmer – Karl Baumgartner, Theo
Angelopoulos, Tina Mendelsohn (Mod.), Jérôme
Clément, Katriel Schory und Antonin Svoboda

Im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung sollten die Produzenten und Verleiher deshalb enger zusammenarbeiten und neue Vertriebsnetze aufbauen.

Europäische Künstler hätten Geschichten zu erzählen, die über die Grenzen hinaus auf Interesse stießen wie "Das Leben der Anderen", "Lady Chatterly " oder der diesjährige Preisträger-Film der Goldenen Palme in Cannes, "4 Monate, 3 Wochen und 2 Tage". "Es ist wichtig, dass Europa seine kulturelle Vielfalt zeigt", resümierte Clément, "sich selbst treu bleibt und sich anderen Kulturen öffnet."

Karl Baumgartner und Theo Angelopoulos

"Die Globalisierung besitzt in Europa keinen guten Ruf, "doch im Kino ist sie Realität", betonte die Moderatorin Tina Mendelsohn.

Nach Ansicht des griechischen Regisseurs Theo Angelopoulos besitze jeder gute Film das Potenzial, Grenzen zu überschreiten. Es gibt nichts Internationaleres als das Nationale", versicherte der griechische Altmeister, "denn jeder Regisseur bringt seinen Erfahrungsschatz und seine Geschichte mit." Um seine Filme zu realisieren, brauche er ausländische Partner, da er diese in Griechenland nicht finanzieren könne. Bei Koproduktionen komme es zwar zu Vermischungen, aber auch die Unterscheidungen würden dabei hervorgehoben, erklärte Karl Baumgartner, Produzent von Pandora Film. "Koproduktionen eröffnen die Möglichkeit, zu erkennen, wie der andere Partner arbeitet. Dadurch können wir neue Wege finden und müssen nicht alles nivellieren."

Katriel Schory und Antonin Svoboda

Auf europäische Koproduktionen setzt auch die österreichische Firma coop99, auf deren Konto Kino- und Festivalerfolge wie "Die fetten Jahre sind vorbei " und "Darwins Albtraum" gehen.

"Allein aus Österreich heraus ist eine Finanzierung dieser Filme nicht möglich", unterstrich Antonin Svo-boda, Gründer der Produktions-firma coop99. "Wir brauchen aber auch mehr Geld für die Verwertung." Junge, kreative Filmemacher fördert ebenfalls Katriel Schory, der seit neun Jahren den Israel Film Fund leitet. Mit seiner Unterstützung wurde in Israel der Kinofilm "Paradise Now" über zwei palästinensische Selbstmordattentäter ins Kino gebracht. Generell zeigten die jungen Filmemacher in Israel jedoch wenig politisches Engagement, sondern setzten sich mehr mit ihrem Alltagsleben auseinander.

"Koproduktionen bieten die Möglichkeit", versicherte Schory, "aus dem spirituellen Ghetto herauszukommen und neue Ausdrucksformen kennen zu lernen. Es gibt viele Möglichkeiten, Filme zu machen."

Antonin Svoboda über schwierige Filmfinazierung
in Österreich

"Wir müssen uns in Europa solidarisch verhalten", forderte Clément. Bestimmte Regulative wie in Frankreich, nach denen an bestimmten Tagen keine Spielfilme im Fernsehen laufen und die Sender sich an Kinoproduktionen beteiligen müssen, seien erforderlich, damit die amerikanischen Majors mit ihren Blockbustern nicht den europäischen Markt überschwemmten. Es müsse eine schützende Hand über den europäischen Markt gehalten werden, damit in anderen Ländern nicht eine ähnliche Entwicklung erfolge wie in Italien. "Berlusconi sollte vor den internationalen Kulturgerichtshof gestellt werden", wetterte der Arte-Präsident, "weil er nur auf Rendite und kaufmännische Rentabilität gesetzt und damit eine blühende Produktionslandschaft zerstört hat."