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Film und Medien Stiftung NRWNewsPressemitteilungenInt. Filmkongress – Panel: Tritt der europäische Film auf der Stelle?

Int. Filmkongress – Panel: Tritt der europäische Film auf der Stelle?

Die Neugierde auf das Leben der Anderen ist geschwunden

Während das deutsche Kino seit dem internationalen Durchbruch mit "Good Bye, Lenin!" wieder im Ausland gefragt ist, sind europäische Filme nur marginal in ihren Nachbarländern im Kino präsent. Über diese Problematik diskutierten verschiedenen Regisseure, Produzenten und Vertriebsexperten in einer Gesprächsrunde, die von Loretta Stern moderiert wurde.

v.l.n.r. Jan Schütte, Oskar Roehler und Jan Mojto

"Den europäischen Film, an den wir vor 20 Jahren geglaubt haben, gibt es nicht", kon-statierte Jan Mojto, Chef von EOS Entertainment. "In Europa haben wir es mit nationalen Filmen zu tun."

Dieses Phänomen ist genauer von der deutschen Regisseurin Margarethe von Trotta untersucht worden, die unter Lupe genommen hat, wie viele Produktionen aus europäischen

Engagiert: Margarethe von Trotta

Ländern in Deutschland sowie in den europäischen Metropolen Paris und Rom im Kino laufen. Gegen die starke Übermacht der Hollywoodfilme kann sich allein Frankreich mit seinen nationalen Produktionen behaupten. In Rom sind in dieser Vergleichswoche in 228 Kinosälen insgesamt 153 amerikanische Filme eingesetzt worden, während nur 40 italienische Produktionen gezeigt wurden.

"Diese Situation hätte es vor 30 Jahren in Italien nicht gegeben", erklärte von Trotta. "Die Neugierde auf das Leben der Anderen ist geschwunden."

Oskar Roehler: Der deutsche Film hat sich in alle
Richtungen entwickelt

Für deutsche Filme sei es hingegen leichter geworden, ein Publikum zu gewinnen. "Der Film "Vier Minuten" läuft in Rom sehr gut", unterstrich Mojto. Die Akzeptanz deutscher Produk-tionen, die im Fernsehen schon länger bestanden habe, setze sich jetzt auch zunehmend im Kino durch. "Der deutsche Film hat sich in den letzten sechs Jahren divergierend in alle Richtungen enwickelt", befand der Regisseur Oskar Roehler. "Wir besitzen keine Industrie, die große Filme produziert. Aber Filmemacher wie Fath Akin haben es geschafft, dem deutschen Kino wieder seinen gut Ruf zurückzugeben." Für den deutschen Regisseur Jan Schütte besteht das filmische Europa aus spannenden Einzelstücken.

Aktives Filmerlebnis kann das Leben verändern –
Simon Perry, hier neben Moderatorin Loretta Stern

"Es gibt eine Vielfalt von europäischen Filmen, die von Island bis nach Griechenland reicht", sagte Schütte. Für Simon Perry, Leiter des Irish Film Board, besteht der zentrale Unterschied hingegen zwischen einem passiven und aktiven Filmerlebnis. Während das passive Filmerlebnis nur reine Unterhaltung beinhalte, könne durch ein aktives Filmerlebnis das ganze Leben entscheidend verändert werden. "Wir müssen deshalb nicht auf die Zahlen schauen, sondern sehen, was sich dahinter verbirgt", appellierte Perry.

Durch die neue technische Entwicklung werde das bisherige System der Blockbuster keinen Bestand mehr haben, prophezeite Mojto. "Das Monopol der Vertriebswege zerbröckelt." Da in Zukunft jedes Produkt überall zugänglich sei, entstünden neue Auswertungsmöglichkeiten. "Es wird entscheidend sein, inwiefern wir in dieser neuen Welt präsent sind", so der Medienmanager. "Wir sollten diesen technischen Aspekt stärker berücksichtigen, anstatt in überholten Kategorien zu denken." In dieser neuen Wirklichkeit sei das Entscheidende das Marketing. "Wir konkurrieren mit großen US-Vertriebsmaschinen. Deshalb müssen wir andere Wege suchen."

Margarethe von Trotta und Cristina Hoffman

Einen neuen Weg habe auch die European Film Promotion mit dem Projekt "Picture Europe" betreten, in dessen Rahmen eine Woche lang europäische Filme in den Städten Madrid, Berlin und London gezeigt wurden, die dort noch keinen Verleih gefunden haben. Das werfe zugleich die Frage auf, warum diese Filme in den dortigen Ländern noch nicht ins Kino gebracht worden seien, gab Cristina Hoffman, die Frankreich-Vertreterin von German Films, zu bedenken.

Das Projekt "Picture Europe" – Der richtige Weg?"
Cristina Hoffman

"Bei der Eröffnung dieser Events war der Kinosaal voll", so Hoffman. Danach habe aber kein größeres Publikumsinteresse mehr bestanden."Dieses Konzept ist ganz neu. Die Frage ist aber, ob das der richtige Weg ist."

Eine ganz andere Art von Kooperation auf europäischer Ebene hat Michael Schmid-Ospach, Geschäftsführer der Filmstiftung NRW, angeschoben. Diese sieht eine Zusammenarbeit der Filmhochschulen ifs internationale filmschule köln, der Andrzej Wajda Master School of Film Directing in Warschau sowie der Sam Spiegel Film and Television School in Jerusalem vor.

Katriel Schory (Israel Film Fund), Simone Stewens
(ifs), Renen Schorr (Dir. Sam Spiegel Film School
in Jerusalem), Katrzyna Slesicka (Direktorin
Filmschule Polen) und Michael Schmid-Ospach

Im Rahmen des KinoSpecials, der Präsentation der deutsch-israelischen Koproduktion "Sweet Mud" von Dror Shaul am 18. Juni im Cinenova, stellte er die Leiter der drei Film-schulen, Katrzyna Slesicka (Warschau), Renen Schorr (Jerusalem) und Simone Stewens (ifs Köln) vor sowie Katriel Schory vom Israel Film Fund.

Direkt aus Warschau kam eine Grußbotschaft von dem Oscar-Preisträger Andrzej Wajda, der dieses länderübergreifende Projekt begrüßt. Der Startschuss zu dieser Initiative wird bei dem heutigen Treffen der drei Direktoren in der ifs Köln erfolgen. Unter den Gästen des Abends waren auch Margarethe von Trotta, Bürgermeisterin Angela Spizig sowie Irmgard Baumgartner-Schmidt, die Kanzlerin der HFF München sowie Dieter Wiedemann, Präsident der Hochschule für Film und Fernsehen Konrad Wolf in Babelsberg. Johannes Rexin (Produzent, Heimatfilm Köln) wies vor dem "Sweet Mud"-Screening, ein Filmdrama über das Leben im Kibbuz, auf die beachtliche Festivalkarriere des Films hin, der z.B. in Berlin, Sundance u.a. mit Preisen dekoriert wurde.