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Internationaler Filmkongress der Filmstiftung NRW vom 2. bis 5. Juli

Kino als Scheibe – Risiken und Chancen von DVD für die Verwertungskette

Fotos: Filmstiftung NRW/Heike Herbertz

Die aktuelle Debatte über eine Verkürzung des Auswertungsfensters für DVDs auf drei Monate nach dem Kinostart sorgt derzeit für viel Zündstoff in der Branche. Die Filmtheaterbetreiber befürchten, dass dem Film im Kino damit die Exklusivität genommen wird und sich viele Kinogänger einen Film nicht mehr auf der großen Leinwand anschauen werden, sondern lieber die DVD-Veröffentlichung abwarten. Statistisch hat die kleine silberne Scheibe das Kino schon längst überrundet. 2004 wurden mit dem DVD-Geschäft
1, 7 Milliarden Euro Umsatz verbucht, während an den deutschen Kinokassen im Vorjahr nur rund 900 Millionen Euro eingespielt wurden. Unter der Moderation von Jasmin Khatami diskutierten Verleiher, Produzenten und Kinobetreiber darüber, welche Chancen und Risiken mit einer kürzeren Auswertungsfrist für DVDs verbundenen sind.

Links: Jasmin Khatami leitet die Diskussion

Der DVD-Boom resultiert nach Einschätzung von Felix Esch, Geschäftsführer der Münsterschen Filmtheater-Betriebe, zum Teil aus dem Verkauf von Repertoire-Ware, da sich viele Kinofans ihre eigenen Filmotheken aufbauten. "Der Kinomarkt kann jährlich nur 400 bis 500 Filme verkraften", so Esch. "Daher interessiert uns nur die Schnittmenge, die für die Kinoauswertung in Frage kommt." Den Vorschlag von Fred Kogel, Vorstands-Chef der Constantin Media AG, das Auswertungsfenster für DVDs auf drei Monate zu verkürzen, hält er für problematisch. Insbesondere große Kino-Hits würden dadurch einen Teil der Besucher verlieren. Aber auch bei der DVD-Auswertung hätten die Filme eine bessere Chance, wenn sie zuvor im Kino reüssierten.

Als sehr lukrativ erweist sich das DVD-Geschäft für den Kölner Verleih Rapid Eye Movies, der sich auf asiatische Filme spezialisiert hat.

Links: Stefan Holl (REM) – "In Deutschland gibt es ein großes Interesse an asiatischen Filmen."

"Im Kino werten wir unsere Filme nur mit einer niedrigen Kopienanzahl aus und verbuchen es als kleinen Erfolg, wenn wir 20.000 oder 25.000 Besucher damit erreichen", berichtete der Geschäftsführer Stephan Holl. "In Deutschland gibt es jedoch ein großes Interesse für diese Filme." Durch die Fernsehausstrahlung eines Films wurde der DVD-Verkauf so stark angekurbelt, dass dieser sogar den Sprung in die Top-Ten schaffte. Die DVD-Auswertung ermögliche es, mit sogenannten Nischenfilmen ein breites Publikum anzusprechen. "Das eröffnet uns als Verleih die Möglichkeit, schwierigere Filme anzupacken."

Die Kausalität, je größer das Auswertungsfenster, umso höher der Kinoumsatz, hält Johannes Klingsporn, Geschäftsführer des Verbandes der Filmverleiher (Vdf) für schlicht falsch. "Wir können nicht auf die Exklusivität des Kinos verzichten, denn das ist der Ort, der ein Bewusstsein für die Filme schafft." Allerdings litten die Produzenten unter mangelnder Liquidität und seien zu einer raschen Refinanzierung gezwungen. Wenn die Kinos einen Film nach sechs Wochen nicht mehr spielten, gäbe es keinen Grund, sechs Monate mit der DVD-Auswertung zu warten.

"Wir führen zur Zeit einen Kampf der Sparten", unterstrich Klingsporn. "Wenn ein Film früher auf DVD herauskommt, wollen die Kinos dafür geringere Leihmieten zahlen."

Rechts: "Kino schafft ein Bewußtsein für Filme" (Johannes Klingsporn)

Wirtschaftlich betrachtet sei ein Kinostart zwar teuer, erläuterte die Produzentin Ulrike Putz von der Münchener Claussen & Wöbke Filmproduktion, doch ohne Kinoauswertung funktioniere auch der DVD-Verkauf nicht. "Wir geben die Kino- und DVD-Rechte grundsätzlich immer demselben Vertrieb, der genau weiß, wann die Kinoauswertung abgeschlossen ist." Das Filmförderungsgesetz (FFG) schreibe den deutschen Produzenten ein sechsmonatiges Fenster vor, während die Hollywoodmajors ihre Filme schon nach vier Monaten auf den Markt brächten.

"Unser Film 'Sommersturm' wurde schon in der ersten Woche in einen kleinen Kinosaalverlegt und nach drei, vier Wochen komplett von den Majors aus den Kinos verdrängt", so Putz. Da die Kinos kleineren deutschen Filmen kaum eine Chance geben würden, plädiert sie für einen früheren DVD-Einsatz, der zumindest noch von der Wirkung der Kinokritiken profitieren könnte.

"Ich habe 1997 den ersten Spielfilm auf DVD herausgebracht, als die Home-Videobranche noch nicht an dieses Medium glaubte", berichtet Werner Wirsing, Vorstands-Chef der e-m-s New Media AG. Seine Prognosen, dass der die DVD in fünf Jahren sowohl die VHS-Kassette als auch den Kinofilm überhole, seien sogar noch schneller eingetreten. Als Ursache dafür sieht er den Boom des Heimkinos.

Rechts oben: Erfolgreich im DVD-Geschäft – Werner Wirsing (New Media AG)

"Die DVD bietet nur Vorteile, sie ist höchstens ein Nachteil für die Kinos." Bestimmte Filme möchte jedoch auch Werner Wirsing lieber ins Kino bringen, selbst wenn er Geld dabei verliert. "Die Auseinandersetzung müsste eigentlich zwischen den Independents und den Majors geführt werden", so Wirsing. Die Independents besäßen kaum eine Chance am Markt, da die Majors ihre Hollywoodfilme mit hunderten von Kopien starteten und damit den Kinomarkt verstopften.
Links: Risiken Und Chancen von DVD – Brandaktuelles Thema beim Filmkongress

"Dadurch können sich die Filme nicht mehr entwickeln, sondern werden nach einer Woche abgesetzt." Hinzu komme, dass viele Filmtheater nur die Trailer von großen Blockbuster-Filmen in ihrem Vorprogramm einsetzten, aber keine kleineren Filme bewerben würden.

Den Versuch, die hohe Kopienanzahl der Hollywoodfilme einzudämmen, hält der Geschäftsführer des Verleiherverbandes für nicht durchsetzbar. "Die Majors müssen kämpfen, wenn sie einen Film mit 800 Kopien herausbringen wollen, weil 1.200 Kinos diesen Film spielen wollen, um nicht Pleite zu gehen." Bei den zahlreichen Auseinandersetzungen vor dem Kartellamt hätten die Kinobetreiber stets Recht bekommen. Das zentrale Problem, mit dem die Kinowirtschaft derzeit zu kämpfen habe, sei der "gefühlte Kinoeintrittspreis". Die Preise für Kinokarten seien in den letzten zwei Jahren zwar stabil geblieben, doch gleichzeitig stehe Deutschland mit den Billigangeboten von DVDs an der Spitze, da die Preise nach den ersten Abverkäufen massiv fielen. "Der Handel gibt die 'Geiz ist geil'-Mentalität an die Vertriebe weiter", ergänzte Holl. Das Dumping sei wichtiger als die Wertigkeit der Produkte. "Die Majors denken nicht in Euro, sondern in Marktanteilen", kommentierte Wirsing diese Entwicklung.

Damit das Kino der DVD-Konkurrenz Paroli bieten könne, müsse vermittelt werden, so Klingsporn, dass das Kinoerlebnis acht Euro wert sei. "Wir arbeiten derzeit an einer großen Gemeinschafts-Kampagne, die für das zweite Halbjahr 2005 geplant ist", verriet der Verbands-Chef. Finanziert werden soll dieses Vorhaben von der Filmförderungsanstalt (FFA), die zu diesem Zweck Marktforschung betreibtsowie GFK-Studien und Kinodaten analysiert.

Schon jetzt rechnet er damit, dass der Marktanteil des deutschen Film 2005 geringer ausfallen wird. "Das Kino braucht deutsche Produzenten.

Links: Diskutierten über Vor- und Nachteil des Mediums DVD: Felix Esch (Münstersche Filmtheater- Betriebe), Produzentin Uli Putz, Jasmin Khatami, Stefan Holl, Werner Wirsing und Johannes Klingsporn

Es gibt aber keine Struktur, die einen kontinuierlichen Produktfluss generiert." Zudem herrsche durch die im Filmförderungsgesetz verankerte Auswertungsfrist eine Wettbewerbsungleichheit. Die Majors könnten einen Film, der diesen Sommer im Kino laufe, auf DVD vermarkten, was für deutsche Filme nicht möglich sei.

"Wir brauchen zum Schutz des Kinos ein Auswertungsfenster", bekräftigte Wirsing, "dass allerdings nicht unbedingt sechs Monate betragen muss." Die Filme dürften keinesfalls zeitgleich im Kino und auf DVD ausgewertet werden, weil sie sonst ihre Bedeutung verlören. "Das Kino hat Vorrang", befand Esch. "Deshalb müssen wir uns zusammensetzen und ein Regelwerk aufstellen."