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Film und Medien Stiftung NRWNewsPressemitteilungenInternationaler Filmkongress der Filmstiftung NRW vom 2. bis 5. Juli

Internationaler Filmkongress der Filmstiftung NRW vom 2. bis 5. Juli

Zeit für Geschichten – Drehbuchentwicklung und Dramaturgie

Fotos: Filmstiftung NRW/Heike Herbertz

Zur Grundmotivation eines Produzenten gehört es, neue Stoffe zu finden. Das perfekte Dreh­buch, das den Produzenten und Redakteuren mit der Post geschickt wird, ist allerdings nur ein Mythos.

Links: Rüdiger Suchsland im Gespräch mit den Dramaturginnen Christina Kaschuba und Susan Schulte

Denn die Drehbuchentwicklung ist häufig ein Prozess, an dem neben dem Autor auch andere Kreative maßgeblich beteiligt sind. Unter der Moderation von Rüdiger Suchsland tauschten sich Autoren, Produzenten, Dramaturgen und Filmförderer über die Entwicklungs­möglichkeiten von Drehbüchern aus.

Es sei eine Idealvorstellung, dass das Drehbuch selbst schon der Film sei, sagte der Frankfurter Skriptautor Peter Zingler. Die Realität sehe vielmehr so aus, dass nach der ersten Idee ein Machtkampf mit Redakteuren und Produzenten beginne. "Je mehr Menschen an dem Entwicklungsprozess beteiligt sind, um so komplizierter wird es, was bei einem Projekt durchaus zum Problem werden kann", erklärte die Dramaturgin Christina Kaschuba, "Es gibt in Deutschland viele gute Autoren, aber nicht viele ausgereifte Bücher", stellte Christina Bentlage, stellvertretende Leiterin der Produktionsförderung bei der Filmstiftung NRW, fest. Oft fehle die Zeit, die Bücher reifen zu lassen. Der Grund dafür sei oftmals Geldmangel, weil schon während der vierten Fassung mit der Finanzierung eines Projektes begonnen werde, was auf Kosten der dramaturgischen Arbeit gehe.

Rechts: Produzent Peter Rommel und Christina Bentlage (Filmstiftung NRW)

In der Filmstiftung NRW werde deshalb erwogen, diese Lücke zwischen der Drehbuchförderung und der Produktionsvorbereitungs­förderung zu schließen. Gedacht sei dabei an eine spezielle Förderung zur Überarbeitung des Drehbuches, die den Autoren mehr Zeit und Geld gewähre und es ihnen ermögliche, bei Bedarf einen Dramaturgen in das Projekt einzubinden.

Als Fortschritt betrachtet es Susan Schulte, dass das BKM seine Richtlinien vor drei Jahren dahingehend geändert hat, dass auch Autoren ohne einen Produzenten ihre Stoffe dort einreichen können. "Der Vorteil ist, dass die Produzenten die Drehbuchentwicklung nicht finanzieren müssen, da das BKM die Autoren bis zu ihrer ersten Drehbuchfassung unterstützt."

Nicht jeder Film werde zwangsläufig genauso gut wie das Drehbuch, gab der Berliner Peter Rommel zu Bedenken. "Ich habe schon oft Niederlagen erlebt, aber auch Erfolge verzeichnet, ohne dass ich viel Geld in die Buchentwicklung investiert habe."

Rechts: Der Weg zum filmreifen Drehbuch – Expertenrunde in Köln

Bei der Produktion des Kino­films "Halbe Treppe" von Andreas Dresen diente dem Team nur ein achteinhalbseitiger Fahr­plan als Vorlage. "Wir haben die Geschichte während des Drehs direkt vor Ort weiter­entwickelt." Zu diesem Zweck wurde der Film chronologisch gefilmt und das gesamte Team konnte seine Ideen einbringen. Als Korrektiv fungierte dabei ein Dramaturg, der sich stets die bereits gedrehten Szenen ansah. "'Halbe Treppe' war ein Idealfall, denn er ist völlig ohne Leistungsdruck entstanden. Selbst der Kameramann hat am Buch mitgearbeitet."

Über eine abgeschlossene Ausbildung als Drehbuchautor verfügt hingegen Bernd Lichtenberg, der das Skript zu "Good Bye, Lenin!" verfasste.

Links: Bernd Lichtefeld zwischen Oliver Schüte und Peter Zingler

Sein Handwerk lernte er in der Drehbuchwerkstatt in München. "Es ist wichtig, die Autoren nicht zu früh an einem Stoff zu messen", so Lichtenberg, "denn die Dramaturgie kann die Freiheit der Fantasie erdrücken." Für fatal hält es der Erfolgsautor, wenn schon in den Schulen nach der Verwertbarkeit eines Stoffes gesucht werde würde. Auch bei Lektoraten sieht Christina Kaschuba die Gefahr, dass die Stoffe oftmals zu früh aussortiert werden. "Ein guter Stoff", so versicherte Bernd Lichtenberg, "setzt sich trotz eines schlechten Lektorats durch."

Lektoren seien oftmals Gatekeeper ohne Ausbildung, deren Arbeit sehr schlecht bezahlt werde, kritisierte Susan Schulte. "Wenn ich die Lektorate ernst genommen hätte, wären meine besten Produktionen niemals realisiert worden", erklärte Peter Rommel. Trotz der schlechten Lektorate von den Sendern und Förderungen hätte er seine Vision mit Andreas Dresen weiterverfolgt. "Es wird jedoch immer schwieriger, Kinofilme zu finanzieren und die öffentlich-rechtlichen Sender als Koproduktionspartner dafür zu gewinnen", beklagte Rommel. "Ich kann den Autoren inzwischen nicht mehr garantieren, ob ich es schaffe, ihren Stoff in eineinhalb Jahren zu realisieren."

Es sei immer noch effektiver für die Sender, ein Drehbuch abzuschreiben, als einen schlechten Stoff zu verfilmen, stellte der Autor Christoph Busch fest. Daher sei es unsinnig, ausgerechnet an Autoren und Dramaturgen zu sparen.

Rechts: Christina Kaschuba – "Je mehr Menschen an dem Entwicklungs- prozess beteiligt sind, umso komplizierter wird es."

"Die Sender haben eine feste Vorstellung von der Programmentwicklung", berichtete Susan Schulte. Ein Stoff, den ein Autor entwickelt hat, wird so nicht gekauft. Das war schon früher kaum der Fall und ist heutzutage noch schwieriger geworden." Der Markt sei nicht in der Lage, die vielen Autoren aufzufangen, die in Deutschland ausgebildet würden, schaltete sich der Frankfurter Produzent Daniel Zuta in die Diskussion ein. "Die Produktion von TV-Movies ist um die Hälfte reduziert worden. Ich muss vielen Autoren eine Absage erteilen, denn die Hälfte aller Stoffe ist nicht durchzusetzen."

Insbesondere bei den genormten Sendeplätzen am Mittwoch- und Freitagabend, so Schulte, setzten die Redakteure gerne auf zuverlässige Partner. "Daher ist es wichtig, als Autor über eine ganzheitliche Ausbildung zu verfügen."