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Kinoproduzenten zwischen Marktforschung und Bauchgefühl

Kino im Wandel – wie stark der Transformationsprozess tatsächlich in Gang ist, das zeigte jetzt der zweite Kinokongress der Film- und Medienstiftung NRW. Dass sich dabei die Parameter, mit denen Kinofilme geplant werden, weiter professionalisiert haben, das verdeutlichte direkt zu Anfang der Veranstaltung Michael Clement. Der Hochschullehrer aus Hamburg berichtete im Rahmen des Programmpunktes „Wie geht Erfolg im Kino? Neues aus der Forschung“ über den Aufbau geeigneter Datenbanken, um Prognosen über den Erfolg von Filmen zu erstellen. „Viele der Statistiken stammen aus den USA“, erklärte Clement. Damit werde zwar keine „Weltformel“ möglich, aber Erfolgsfaktoren wie beispielsweise Stars, Regisseure oder Produktionskosten könnten in Relation gesetzt werden. Aus den entsprechenden Erfahrungswerten ließen sich so Rückschlüsse auf zukünftige Projekte mit ähnlichen Konstellationen schließen. Generell, so der Wissenschaftler, „ist das Zusammenspiel zwischen Kino und Distribution für den Erfolg eines Films entscheidend“. Ob und auf wie vielen Leinwänden eine Produktion startet, hängt dann von der Prognose ab. Aber bereits eine Woche nach Filmstart bestimmen die Ergebnisse dieser sieben Tage den weiteren Einsatz des Films und die weiteren Erwartungen an ihn.

In der anschließenden Diskussionsrunde, die Ute Soldierer von der Deutschen Welle moderierte, sorgte das theoretische Gerüst auch für Widerspruch. Die Produzentin Bettina Brokemper von Heimatfilm etwa kritisierte, dass sie mit dem vorgetragenen Modell wenig anfangen könne: „Wenn ich einen Film fertig gestellt habe, habe ich keine Einflussmöglichkeiten mehr, etwa was den Einsatz von Werbung angeht.“ Der Geschäftsführer des Majestic Filmverleihs indessen ergänzte, dass die von Clement vorgestellte Matrix eher für „US-Majors“ anwendbar sei.

„Zwei Wochen vor dem Start eines Films kann man alles sagen, wir als Produzenten müssen aber vier Jahre vorher Entscheidungen treffen, wenn wir mit den Planungen beginnen“, fügte der Geschäftsführer von X Filme Creative Pool Stefan Arndt hinzu. Er machte das Sicherheitsdenken in Kombination mit wissenschaftlichen Planspielen dafür verantwortlich, dass in Hollywood „nur noch Prequels und Sequels“ entstünden.

Der General Manager von Universal Pictures International Paul Steinschulte hingegen unterstrich die Bedeutung von gezielter Marktforschung, die in Deutschland noch zu wenig betrieben würde und letztlich helfe, die Wünsche der Kunden besser zu erkennen: „Sequels werden gemacht, weil das Publikum das wünscht.“ Der Manager verwies als Beispiel auf „Hangover“, den in Deutschland zwei Millionen Menschen im Kino sahen. Aber anschließend wurden noch eine Million DVDs verkauft: „Da war klar, dass ein großer Markt nicht erreicht worden war. Das Sequel hatte dann vier Millionen Zuschauer.“ Steinschulte differenzierte auch den Blick auf die Zuschauerzahlen: „’Safehouse’ mit Denzel Washington hatte dieses Jahr 470.000 Besucher, genauso wie ‚Schultze get the Blues’, der deutsche Überraschungserfolg von 2003.“ Die Zuschaueranzahl, die für „Safehouse“ als schlechtes Ergebnis interpretiert werden kann, bedeutet für die Lowbudget-Produktion „Schultze get the Blues“ eine hervorragende Bilanz. Steinschulte forderte von den Produzenten zudem, sich mehr an der Akzeptanz des Publikums zu orientieren: „Von 500 Filmen, die pro Jahr ins Kino kommen, stammen 180 aus Deutschland. Von diesen liegen 140 Filme unter 50.000 Besuchern. Arndt wiederum konterte, in Deutschland gebe es höchstens 80 Kinos, wo eine Produktion wie das „Das weiße Band“ aufgeführt werden könne.

Grundsätzlich war sich die Runde aber einig, dass die neuen Medien, über die sich etwa Einschätzungen von Kinobesuchern schnell und massenhaft verbreiten und über die auch Inhalte für die Nutzer immer besser zugänglich werden, das Geschäft drastisch verändern. Angesichts dessen verlangte Arndt: „Das Kino als Ort zu etablieren, an dem sich Gleichgesinnte einem Filmerlebnis widmen können – das müssen wir jetzt schnell schaffen.“