Nominierungen für den 68. Hörspielpreis der Kriegsblinden
- „Auf der Suche nach den verlorenen Seelenatomen“, „Der Absprung“, „Die Toten von Feuerland“
- Bekanntgabe des Preisträgers am 29. April 2019
- Verleihung am 7. Mai im Deutschlandfunk Köln
Für den 68. Hörspielpreis der Kriegsblinden, der am 7. Mai im Deutschlandfunk Köln verliehen wird, hat eine 13-köpfige Jury drei Arbeiten nominiert. Der Gewinner der renommierten Auszeichnung, getragen vom Bund der Kriegsblinden e.V. (BKD) und der Film- und Medienstiftung NRW, wird am 29. April bekannt gegeben.
Unter Vorsitz der Kulturwissenschaftlerin Gaby Hartel nominierte die Jury (siehe unten) folgende drei Produktionen:
„Auf der Suche nach den verlorenen Seelenatomen“ von Susann Maria Hempel, Produktion: RBB
Die Autorin spricht in ihrem Radiostück mit einem ehemaligen DDR-Häftling, der in der Haft einen schweren Schock mit darauffolgender Amnesie erlitt. Als vermeintlicher Republikflüchtling hat er im Gefängnis eine Grenzerfahrung anderer Art gemacht. Er sagt, seine Seele sei aus ihm „rausgemacht“ worden und würde bis heute im Wald wohnen. Als sein ältester Freund stirbt, beginnt der Häftling der Autorin von seinem Leben zu erzählen. Die Jury: „[…] Erinnerungsbilder tauchen auf und verschwinden, Erlebnisfragmente aus der untergegangenen DDR und einem Ich, das ständig unterzugehen droht. Diese Geschichte eines beschädigten Lebens erschließt sich über die Dauer des soghaft wirkenden Stücks. […] In der mehrfachen künstlerischen Brechung dieser Geschichte wird die Frage nach der Seele und ihrer Zerbrechlichkeit ins Universale erweitert und es entsteht ein emotional, wie artistisch hochkomplexes, leises Stück.“
„Der Absprung“ von Paul Plamper, Produktion: WDR
Eine ostdeutsche Kleinstadt namens „Leerstadt“. 2015 sind Geflüchtete in die schrumpfende Stadt gekommen. Die Konflikte um die Zuwanderung eskalieren, als ein neu-rechter Demagoge die Wut und Ängste der Bürgerinnen und Bürger nutzt und zu einem Boykott gegen das städtische Theater und ihr multinationales Ensemble aufruft. Die Stadt gerät in einen medialen Wirbel um Rassismus-Vorwürfe und Ost-Vorurteile. Das Hörspiel erzählt von Zerrissenheit, Lagerbildung und zielt auf eine vielschichtige Darstellung der aktuellen gesellschaftlichen Fliehkräfte. Das Projekt bildet den dritten und abschließenden Teil von Plampers „Fremde&Geister“-Trilogie über die Konstruktion des Fremden. Jury: „[…] Paul Plamper und sein Team umkreisen den symbolischen Moment des titelgebenden Absprungs in einer Handlungs- und Aktionsreihe und lassen eine mögliche politische Alltagswelt entstehen. […] Plampers Stück stellt Zugangsweisen zur Auseinandersetzung mit ‚dem Fremden‘ dar, wie sie seit 2015 in Kulturszene und Allgemeinbevölkerung zu beobachten sind.“
„Die Toten von Feuerland“ von Ulrike Haage und Andreas Ammer, Produktion: NDR, Koproduktion: Deutschlandfunk Kultur
Am 11. Mai 1830 tauschen die Seeleute der „Beagle“, eines später berühmten Forschungsschiffes, mit den Ureinwohnern Feuerlandes nicht nur den üblichen Tand gegen Fische, sondern den jungen Feuerländer Orundellico vom Stamm der Yamana gegen einen Perlmuttknopf. Mit dem neuen Namen „Jemmy Button“ versehen, wird er mit drei anderen Patagoniern nach England verschifft. Ein Gutachten kommt zu der Schlussfolgerung: „Er könnte zu einem nützlichen Mitglied der Gesellschaft gemacht werden; aber es würde große Sorgfalt erfordern, da sein Eigensinn dabei stören würde.“ Jemmy Button wurde ein Jahrhundert später zum Vorbild für Michael Endes Kinderbuchfigur Jim Knopf. Die Jury: „[…] Originaltonaufnahmen vom Stamm der Yamana sprechen mit Fragmenten aus Seemannsliedern, die stehen mit Wortlisten der Ureinwohner Feuerlands im Dialog und wirken als Echokammer der konkreten Geschichte des Jemmy Button. […] Haage und Ammer [geben hier] der aktuellen Debatte um koloniale Verbrechen einen emotional angereichten Klangraum.“
Weitere Informationen zu den Autorinnen und Autoren, die vollständigen Jurybegründungen und Links zu den nominierten Hörspielen gibt es hier. Die von Ute Soldierer moderierte Preisverleihung findet am 7. Mai im Deutschlandfunk Köln statt.
Der Hörspielpreis der Kriegsblinden wird seit 1952 jährlich an ein für einen deutschsprachigen Sender konzipiertes Original-Hörspiel verliehen, das in herausragender Weise die Möglichkeiten der Kunstform realisiert und erweitert.
Die Jury des 68. Hörspielpreises der Kriegsblinden
Blinde Juroren: Paul Baumgartner, Hans-Dieter Hain, Dietrich Plückhahn, Siegfried Saerberg, Dörte Severin
Kulturschaffende: Gaby Hartel (Kulturwissenschaftlerin, Vorsitzende der Jury), Thomas Irmer (Freier Journalist, u.a. Theater der Zeit), Eva-Maria Lenz (Freie Journalistin, FAZ, epd), Doris Plöschberger (Suhrkamp Verlag), Diemut Roether (epd medien), Hans-Ulrich Wagner (Universität Hamburg, Hans Bredow-Institut), Isabel Zürcher (Kritikerin, Lektorin und Publizistin), Jenni Zylka (Journalistin, Autorin und Moderatorin).