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NRW@Berlinale: "Instructions for Survival"

Die filmstiftungsgeförderte Produktion "Instructions for Survival" von Yana Ugrekhelidze wird am Freitag, 5. März, um 13 Uhr beim Online Industry-Event der 71. Internationalen Filmfestspielen Berlin (01.-05.03.) in der Reihe Perspektive Deutsches Kino gezeigt. Regisseurin und KHM-Absolventin Yana Ugrekhelidze hat eine Dokumentation über Liebe, Kampf um Identität, Flucht und Freiheit geschaffen. Produziert wurde „Instructions for Survival“ von der Kölner Fortis Fem Film, die sich die Stärkung von Frauen in der Filmwirtschaft zum Ziel gesetzt hat. Die Filmstiftung förderte mit 60.000 Euro.

 

Die Autorin Maxi Braun hat für das Magazin "Film und Medien NRW" einen Artikel zu "Instructions for Survival" verfasst:

Perspektive Deutsches Kino

»Instructions for Survival«

Nach zwei erfolgreichen, mehrfach prämierten Kurzfilmen feiert der erste lange Dokumentarfilm von KHM-Absolventin Yana Ugrekhelidze seine Premiere auf der Berlinale.

Wie wirken sich Krieg, Flucht und Vertreibung auf Kinder aus? Wie können sie mit diesen Gewalterfahrungen weiterleben und geben sie die Traumata an die nächste Generation weiter? Mit diesen Fragen beschäftigen sich die ersten beiden Kurzfilme der Regisseurin Yana Ugrekhelidze. Ihr Debüt »Summer Story« war Teil des Programms der Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen 2017, ihr von der Film- und Medienstiftung geförderter Diplomfilm »Armed Lullaby« lief auf der 69. Berlinale in der Sektion Generation.

Im März wird ihr erster langer Dokumentarfilm »Instructions for Survival« auf der Berlinale 2021 in der Perspektive Deutsches Kino als Weltpremiere aufgeführt. Im Mittelpunkt stehen Sasha und Mari. Sasha ist ein Transmann, Mari kennt er schon aus der Zeit vor seinem Outing, seit Jahren sind sie ein Paar und leben in Georgien. Dort trans zu sein, ist lebensgefährlich. Den Genderstatus zu ändern ist zwar rechtlich möglich, aber gesellschaftlich stigmatisiert. Betroffenen müssen außerdem fast unüberwindbare Auflagen erfüllen. Für die Änderung werden Gutachten von Psychotherapeuten verlangt, alle geschlechts­angleichenden Operationen müssen bereits erfolgt sein. Anlaufstellen für Transpersonen gibt es nicht, Hormone müssen über das Internet bestellt und in riskanter Selbstmedikation verabreicht werden. Nicht alle Operationen werden überhaupt im Land durchgeführt, müssen daher im Ausland vorgenommen werden. All das auf eigene Kosten, die kaum eine Transperson aufbringen kann. Selbst wenn Transpersonen das soziale Passing bestehen, bleiben sie meist arbeitslos, da bei der Einstellung der Unterschied zwischen gelebtem und im Personal­ausweis vermerkten Geschlecht auffallen könnte. Sich zu outen bedeutet für Transpersonen ein hohes Risiko. Es nicht zu tun, hieße, sich ein Leben lang zu verstecken und die eigene Identität zu verleugnen.

»Ihre Geschichte muss erzählt werden«

Regisseurin Yana Ugrekhelidze stammt selbst aus Georgien. Als Diplom-Übersetzerin kam sie vor gut zehn Jahren nach Deutschland, wo sie den Bachelor in Kommunikationsdesign an der Peter Behrens School of Arts in Düsseldorf ablegte. Später kam das Diplom an der Kunsthochschule für Medien in Köln mit den Schwerpunkten Film und Animation dazu. Mit ihren Protagonist*innen aus »Instructions for Survival« ist sie schon lange persönlich befreundet, sie kennen sich noch aus der kleinen, eng zusammenhaltenden LGBTQI*-Community.

Von der Idee bis zur Umsetzung des Dokumentarfilms gab es praktisch keine Vorlaufzeit. Das Projekt kam in Gang, als sich die Situation für Sasha und Mari zuspitzte und sie aus Verzweiflung einen radikalen Entschluss trafen, um das Startkapital für ein neues Leben im Ausland aufzutreiben. »Sasha und Mari sagten mir, dass Leihmutterschaft der letzte Ausweg für sie sei. Da war Mari schon schwanger. Ich habe sofort Jule angerufen und gesagt, dass wir ihnen irgendwie helfen müssen. Ihre Geschichte musste erzählt werden«, berichtet Yana Ugrekhelidze.

Gemeinsam mit der Bildgestalterin Jule Katinka Cramer, die sie von ihrem Studium an der Kunst­hochschule für Medien in Köln kennt und die ihre empathische Bildsprache schon bei Beryl Magokos KHM-Diplomfilm »In Search« bewies, brach sie auf. Den Jahreswechsel 2018/2019 verbrachten sie mit Mari und Sasha vor Ort, um sofort mit den Dreharbeiten zu beginnen. Zunächst auf eigene Kosten. Eine Förderung der Film- und Medienstiftung von 60.000 Euro sowie durch das Grenzgänger Programm der Robert Bosch Stiftung halfen dabei, das Projekt auf eine andere Ebene zu bringen. Das Team blieb klein, die Dreharbeiten auf offener Straße riskant. Durch die Förderung war es der Regisseurin möglich, öfter nach Georgien zu reisen und Mari und Sasha bei ihrer Ausreise zu begleiten. Die Dreharbeiten dauerten bis Juli 2019, die Postproduktion nahm das gesamte Jahr 2020 in Anspruch.

Fortis Fem Film

Neben Krieg, Genoziden und Fluchterfahrungen treiben Yana Ugrekhelidze auch feministische Themen um. Einzelkämpferin ist sie dabei nicht. 2019 gründete sie mit Alisa Berger und Anja Kreis, die sie beide während des KHM-Studiums kennenlernte, die Produktionsfirma »Fortis Fem Film«, mit einem Stipendium des Mediengründerzentrums NRW. »Wir wollen Tabuthemen aufbrechen und mutige Filme machen über Abtreibung, Mutterschaft, Gender oder Identität und auch andere Frauen dabei unterstützen, solche Filme zu realisieren«, erklärt Yana Ugrekhelidze ihre Motivation.

Ihr nächstes eigenes Projekt ist bereits in Planung.  In dem animierten Kurzfilm mit dem Arbeitstitel »Das Fünf Ähren Gesetz« widmet sie sich einem düsteren Kapitel osteuropäischer Geschichte. Anfang der 1930er-Jahre führte das Stalinistische Sowjetregime im Zuge der Zwangskollektivierung in der Ukraine eine Hungersnot herbei, der Millionen Menschen zum Opfer fielen. Der sogenannte »Holodomor« (Tod durch Hunger) ist bis heute nicht offiziell als Völkermord anerkannt.

Vorher steht aber die Weltpremiere »Instructions for Survival« bei der Berlinale an. Eine Erklärung, warum im 21. Jahrhundert noch immer Menschen für Abweichungen von der heterosexuellen Norm verfolgt werden, hat Yana Ugrekhelidze nicht. Nur eine Vermutung: »Das ist eine Frage von Bequemlichkeit. Für die meisten Menschen – sowohl in meiner Heimat als auch hier in Deutschland – ist es einfacher, wenn sie jeden in eine Schublade stecken können.« Was das an Leid für diejenigen bedeutet, für die in diesen Schubladen kein Platz ist, zeigt sie mit ihrem Langfilmdebüt auf.

Maxi Braun