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NRW@Berlinale: "Je suis Karl"

Die filmstiftungsgeförderte Produktion "Je suis Karl" von Christian Schwochow wird am Donnerstag, 4. März, um 11.30 Uhr beim Online Industry-Event der 71. Internationalen Filmfestspielen Berlin (01.-05.03.) in der Reihe Berlinale Special Gala gezeigt. Unter der Regie von Christian Schwochow und nach dem Drehbuch von Thomas Wendrich standen Luna WedlerJannis Niewöhner und Milan Peschel vor der Kamera von Frank Lamm. In weiteren Rollen sind Edin Hasanovi, Anna Fialová und Aziz Dyab zu sehen. „Je suis Karl“ ist eine Produktion der Kölner Pandora Film Produktion mit der tschechischen Negativ Film in Koproduktion mit dem WDRDEGETORBB und Arte. Den Verleih übernimmt Pandora und den Weltvertrieb die Kölner The Match Factory. Die Film- und Medienstiftung unterstützte das Projekt, das zum Großteil in NRW gedreht wurde, in Produktion und Verleih mit 1,26 Mio. Euro.

 

Der Autor Reinhard Kleber hat für das Magazin "Film und Medien NRW" einen Artikel zu "Je suis Karl" verfasst:

Berlinale Special Gala

»Je suis Karl«

Der neue Kinofilm von Christian Schwochow thematisiert die gewaltbereite junge Rechte in Europa. Er feiert seine Weltpremiere als Special Gala auf der Berlinale.

Christian Schwochow ist einer der wichtigsten deutschen Regisseure seiner Generation. Seit 2017 hat der vielseitige und viel beschäftigte Autor und Regisseur die hochgelobte Serie »Bad Banks«, zwei Folgen der britischen Serie »The Crown«, die Literaturverfilmung »Deutschstunde« und den Kinospielfilm »Je suis Karl« realisiert, der auf der Branchen-Berlinale im März in der Reihe Berlinale Special Gala läuft. Der Grimme-Preisträger, der von 2002 bis 2008 Filmregie an der Filmakademie Baden-Württemberg studierte, sitzt gerade im Schneideraum, um sein nächstes Werk, die Bestselleradaption »Munich«, für das Streamingportal Netflix fertigzustellen.

Die junge Rechte in Europa

»Je suis Karl« ist der sechste Kinofilm Schwochows und der zweite, bei dem er nach dem Künstlerinnenporträt »Paula« (2016) mit der Kölner Produktionsfirma Pandora Film zusammengearbeitet hat. Das Drehbuch schrieb Thomas Wendrich, der schon das Skript für Schwochows TV-Film »Die Täter: Heute ist nicht alle Tage« über die Terrorzelle NSU verfasst hat.

Doch wie ist das Projekt zu Pandora Film gekommen? »Nach ‘Paula’ war klar, dass wir auf jeden Fall mit Christian weiter arbeiten wollten. Wir haben überlegt, was wir mit ihm fürs Kino machen können», berichtet die Produzentin Claudia Steffen. »Christian und Thomas haben uns schon vor über fünf Jahren von ihren Erfahrungen bei ihrem NSU-Film erzählt. Bei den Recherchen dazu ist ihnen aufgefallen, wie gut vernetzt die junge rechte Szene in Europa ist. Aus ihren Erkenntnissen haben sich dann die Vorarbeiten zu ‘Je suis Karl‘ entwickelt.«

Die packende Story ist zwar frei erfunden, bezieht sich aber auf reale politische Entwicklungen. »Es geht darum, die Verführung zu zeigen«, erläutert Steffen. »Das ist keine kleine versteckte Gruppe von Leuten, die sich abgehängt fühlen und rebellieren. Es ist vielmehr eine sehr gut organisierte Szene, die alle modernen Kommunikationstools nutzt. Viele junge Menschen finden es attraktiv, da mitzu­arbeiten, weil sie das Gefühl haben, sie können dort etwas bewegen.«

Terror und seine Folgen

Der Film beginnt mit einem Paukenschlag: einem Terroranschlag mitten in Berlin. Der dreifache Vater Alex (Milan Peschel) und seine Tochter Maxi (Luna Wedler) überleben die Attacke und suchen einen Weg, mit der Trauer umzugehen. Maxi, eine kraftvolle junge Frau, die wütend ist, schließt sich dem charismatischen Studenten Karl (Jannis Niewöhner) an, der Antworten für ihre Fragen hat und ihr einen neuen Lebenssinn eröffnet. Über ihn wird sie Teil einer europäischen Jugendbewegung, die auf die Machtübernahme hinarbeitet. Als der irritierte Alex seiner Tochter Fragen stellt, ist es fast zu spät.

Die Pandora Film Produktion GmbH koproduziert den gut zweistündigen Film mit Negativ Film aus Prag und WDR, ARD DEGETO, RBB und ARTE. Als Förderer sind DFFF, FFA, MBB, BKM, der Czech Film Fund und die Film- und Medienstiftung NRW an Bord, die zugleich mit 1,22 Millionen Euro den größten Förderbetrag leistete. Das Budget liegt bei über fünf Millionen Euro. »90 Prozent entfallen auf die deutsche Seite, der Rest auf die tschechische«, sagt Steffen.

Aufwendige Dreharbeiten in NRW

Für die Rollen Maxi und Karl konnten die Filmschaffenden mit Luna Wedler und Jannis Niewöhner zwei der vielversprechendsten Gesichter des jungen deutschsprachigen Films gewinnen. Wedler gewann in kurzer Zeit den Schweizer Filmpreis für »Blue my Mind«, den Günter Rohrbach Filmpreis für »Das schönste Mädchen der Welt« und den Bayerischen Filmpreis für »Dem Horizont so nah«. Niewöhner war deutscher Shooting Star 2015 und spielte seit 2016 in 14 Filmen mit, darunter zuletzt »Die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull«, »Cortex« und »Der Überläufer«. Die Figur Alex wird von dem ebenfalls viel beschäftigten Milan Peschel verkörpert.

Vor der Kamera von Frank Lamm, der mit Schwochow auch bei der Netflix-Serie »The Crown« zusammenarbeitete, standen zudem Edin Hazanovic, Aziz Dyab und Anna Fialová. »Beim Casting haben wir einen ausgezeichneten syrischen Schauspieler entdeckt: Aziz Dyab lebt seit einigen Jahren in Deutschland und hat bereits einige Filmfiguren verkörpert. Auch in unserem Film spielt er eine wichtige Rolle«, sagt Steffen. »Wir sind auch glücklich, dass Anna Fialová in unserem Film mitmacht, der viel Musik enthält. Sie ist in Tschechien schon sehr bekannt und spielt bei uns eine Professorin und Sängerin.« Im Ensemble sind auch etliche junge Darsteller*innen aus Frankreich wie Fleur Geffrier und Victor Boccard, die führende Mitglieder der Jugendbewegung verkörpern.

Gedreht wurde der Film 2019 zu großen Teilen in Nordrhein-Westfalen, insbesondere in Köln, Bochum und Düsseldorf. Allein 20 von 35 Drehtagen entfielen auf Schauplätze an Rhein und Ruhr. Weitere Drehorte waren Berlin, Prag, Paris und Straßburg. Der Film wurde hauptsächlich auf Deutsch gedreht, in vielen Szenen wird aber auch Englisch, Tschechisch oder Französisch gesprochen. »Wir bilden die Internationalität dieser Szene ab, wenn sie sich zum Beispiel in Paris treffen«, erklärt Steffen.

Umgang mit der neuen Hasskultur

Der Filmtitel »Je suis Karl« ist eine Anspielung auf den Slogan »Je suis Charlie«, mit dem viele Menschen ihre Solidarität mit der Redaktion der Pariser Satirezeitschrift »Charlie Hebdo« zum Ausdruck brachten, die 2015 zum Ziel eines blutigen islamistischen Terroranschlags wurde. Er ergibt sich aus der Handlung, da der Film kurz vor einer Europawahl in Straßburg spielt, bezieht sich aber auch auf die gängige Hashtag-Sprache vieler junger Leute, wie Steffen erläutert. Die rechte populistische Bewegung schreckt nicht davor zurück, sich auch diesen wichtigen Begriff zu eigen zu machen.

Für die Produzentin hat das Filmdrama auch Thriller-Elemente: »Die spannende Geschichte ist handlungsgetrieben, lebt aber auch von der starken Vater-Tochter-Beziehung«. Es gehe nicht um ein klassisches Whodunit, sondern um die Folgen schlimmer Gewaltakte, die uns sehr nahekommen: »Was machen sie mit Dir? Mit Deiner Familie und Deinen Freunden? Und mit Deiner politischen Einstellung?« Unter dem Strich sei es »ein atemloser Film, den man sich vielleicht auch zweimal anschauen muss«.

»Ich möchte als Regisseur«, so Christian Schwochow, »nicht ideologisch oder belehrend sein. Wir glauben an den Zuschauer. Der sich und seine eigene Lethargie, seine Überforderung, seine Hilflosigkeit im Umgang mit der neuen Hasskultur – hoffentlich – erkennt.«

Den Weltvertrieb übernimmt Match Factory aus Köln. Der Pandora Filmverleih bringt den Film am 16. September 2021 hierzulande in die Kinos. »Wir hoffen, dass dann eine relevante Kinoauswertung möglich ist und der Film zwei Wochen vor der Bundestagswahl größere Aufmerksamkeit findet«, sagt Steffen. In der Schweiz übernimmt Filmcoopi den Verleih, in Österreich Filmladen, in Tschechien Aerofilms.

Über die Einladung zur Berlinale haben sich Claudia Steffen und Produzentenpartner Christoph Friedel sehr gefreut. »Wir merken, dass die Entscheidung allen Beteiligten guttut, sie sind glücklich, dass endlich etwas passiert. Man kann wieder in die Zukunft schauen. Deswegen ist es auch richtig, dass die Berlinale stattfindet.« Natürlich sei dieses Jahr alles anders, auch beim Branchen-Event im März seien noch viele Fragen offen. »Wir finden auch, dass unser Film gut in die Special Gala-Reihe passt. Wir fühlen uns dort gut aufgehoben, zumal der Film sehr modern erzählt ist, sehr schnell und publikumsaffin. Die Reihe ist ja sehr eng am Wettbewerb dran. In normalen Zeiten hätten wir eine Vorführung im Berlinale- oder Friedrichstadtpalast. Und natürlich hoffen wir, dass die im Juni geplante große Premiere bei der Sommer-Berlinale mit Publikum stattfinden kann.«

Reinhard Kleber