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NRW@Berlinale: "Taming the Garden"

Die filmstiftungsgeförderten Produktion "Taming the Garden" von Salomé Jashi wird am Mittwoch, 3. März, um 12.30 Uhr beim Online Industry-Event der 71. Internationalen Filmfestspielen Berlin (01.-05.03.) in der Reihe Forum gezeigt. Die Kölner Corso Film koproduzierte den Dokumentarfilm mit Mira Film (CH) und Sakdoc (GEO) unter Senderbeteiligung von Radio Bremen/Arte. Die Filmstiftung förderte den Film mit 50.000 Euro. „Taming The Garden“ war beim 37. Sundance Film Festival in die World Cinema Documentary Competition eingeladen.

 

Der Autor Reinhard Kleber hat für das Magazin "Film und Medien NRW" einen Artikel zu "Taming the Garden" verfasst:

Forum

»Taming the Garden«

Wenn Bäume schwimmen gehen. Der Dokumentarfilm »Taming the Garden« feiert im Berlinale Forum seine Deutschlandpremiere.

Es ist ein faszinierendes Bild von urwüchsiger Kraft und hohem Symbolwert: Ein Kahn transportiert einen riesigen Baum über das Meer. Man fragt sich automatisch: Warum wird er transportiert? Wo kommt er her und wo fährt er hin? Mit diesem Schlüsselbild beginnt der Dokumentarfilm »Taming the Garden« der georgischen Regisseurin Salomé Jashi, der auf dem Sundance Filmfestival uraufgeführt wurde und nun im Forum der Berlinale läuft.

Was es mit dem Baum auf sich hat, enthüllt der essayistisch komponierte Dokumentarfilm erst nach und nach. Der georgische Milliardär Bidzina Ivanishvili stattet sein riesiges Anwesen am Schwarzen Meer mit hundertjährigen Bäumen aus, von denen manche so hoch sind wie 15-stöckige Gebäude. Er kauft sie in der Küstenregion auf und lässt sie von zahlreichen Arbeitern in aufwändigen Arbeitsprozessen aus privaten Gärten und aus dem öffentlichen Raum ausgraben. Dann werden die Bäume mit ihren Wurzelballen auf zwei aneinandergehängte Lastwagen verladen und an die Küste befördert. Unterwegs müssen andere Bäume gefällt werden, um Platz zu machen, neue Straßen werden gebaut, manchmal sogar durch Mandarinenplantagen. Eine Fähre transportiert dann die Giganten zum Park des Unternehmers, der hinter einem Hochsicherheitszaun verborgen liegt.

Machtgefälle und Entwurzelungen

»Taming the Garden« ist eine Koproduktion der Kölner Corso Film, Mira Film aus Basel und Sakdoc Film aus Tiflis und wurde unter anderem von der Film- und Medienstiftung NRW gefördert. Den größten Anteil zum Budget von 370.000 Euro steuert die Schweiz mit 47 Prozent bei, gefolgt von Deutschland mit 30 Prozent und Georgien mit 23 Prozent, wie der Kölner Produzent Erik Winker berichtet. Als Sender sind Radio Bremen/ARTE, SRF und YLE an Bord. Den Weltvertrieb übernimmt Syndicado Film Sales. Den Verleih in der Schweiz hat Vinca Film, die deutschen Verleihrechte sind noch frei.

Die Autorin und Regisseurin Salomé Jashi, die 1981 in Tiflis geboren wurde, hat bereits etliche Dokumentarfilme realisiert, darunter den internationalen Festivalhit »The Dazzling Light of Sunset« (2016), der unter anderem den Hauptpreis des Regard Neuf-Wettbewerbs in Nyon gewonnen hat. Auf das Thema stieß die Filmemacherin, die in ihrer Geburtsstadt und in Berlin lebt, durch ein kurzes Youtube-Video. Als sie es 2017 bei Dok Leipzig Winker und seinem Stuttgarter Geschäftspartner Ümit Uludag zeigte, wussten beide sofort, dass der Stoff einen langen Dokumentarfilm hergibt, den sie produzieren wollten. »Ich kenne Salomé schon seit über zehn Jahren und wollte schon lange mit ihr zusammenarbeiten, weil ich die besondere Handschrift und den fast philosophischen Zugang ihrer Filme sehr mag«, sagt Winker. »Neben der fast schon surreal anmutenden Geschichte der reisenden Bäume fasziniert uns vor allem die gesellschaftliche Relevanz des Films.  Er reflektiert ein extremes Arm-Reich-Gefälle und erzählt eine nahezu epische Geschichte von Macht und Machtlosigkeit, von politischer Willkür und von Widerstand«, so Winker. Reizvoll ist insbesondere, dass die majestätischen Bäume die Zuschauer von ihren Besitzern über Anwohner und Arbeiter gleichsam zu einer Leerstelle führen, denn der Milliardär und Ex-Premierminister ist zwar gleichsam stets präsent, tritt im Film aber nie auf und avanciert so zu einer gottgleichen mythischen Figur.

In eineinhalb Jahren drehte Jashi rund 40 Tage mit ihrem Team. Hinzu kam eine Reihe vorbereitender Recherchedrehs sowie Drehtage, die sie alleine durchführte. Sie folgte dabei keiner eindimensionalen Erzähllinie: »Das Material spricht von vielen verschiedenen Aspekten des Lebens, die einen symbolischen Ausdruck im Film fanden, wie die Idee der Menschheit, erzwungener Migration und Entwurzelung, die nicht nur ein physischer Prozess ist.« Insgesamt sammelte Ivanishvili ca. 200 Bäume, den denen viele unterwegs eingegangen sind. »Sein Vorhaben ist damit abgeschlossen«, sagt Winker.

Weitere Festivalzusagen

»Taming the Garden« ist nicht der erste Film von Corso Film in Sundance. »2018 lief ‚A Woman Captured‘, eine Koproduktion mit Ungarn, dort im Dokfilmwettbewerb. Im vorigen Jahr waren wir mit ‚Acasa, My Home‘, einer Koproduktion mit Rumänien, in derselben Sektion und haben den Preis für die beste Kamera gewonnen. Wir haben sofort gemerkt, was für einen Impact das hat, wenn ein Film dort läuft. Das hat die beiden Filme massiv gepusht«, sagt Winker. »Beide haben danach noch einen tollen Weg über zahlreiche Festivals genommen und wurden jeweils für den Europäischen Filmpreis nominiert. Es wäre großartig, wenn das nun wieder gelingen würde. Wir haben schon eine Reihe von Zusagen weiterer Festivals.«

Aber auch die Präsentation in Berlin sei für deutsche Produzenten äußerst relevant: »Das ist für uns ein tolles Heimspiel und einer der wichtigsten Orte, an denen wir unsere Filme zeigen können. Deswegen ist es doppelt schön, dass wir diese erste große internationale Aufmerksamkeit über Sundance haben und die Berlinale zeitnah folgt.«

Reinhard Kleber