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„Wir führen eine Debatte der Vergangenheit“

Vom Oberhausener Manifest bis nach Karlsruhe – Gefahren für die Filmförderung (Panel am 23.6. um 14.00 Uhr)

Moderator Frank Olbert

In der deutschen Filmbranche liefern sich erhitzte Gemüter derzeit heftige Diskussionen. Der Grund für die Aufregung: Das deutsche Filmfördergesetz (FFG), mit dem seit über 30 Jahren die zentrale Vergabe der Filmfördermittel für die Herstellung von Filmprojekten geregelt wird, steht auf dem Prüfstand. Denn in der Filmbranche herrscht Uneinigkeit darüber, nach welcher Bemessungsgrundlage die Beiträge aus den Bereichen Kino, Video und Fernsehen erfolgen sollte. Ausgelöst hat diesen Streit eine Klage der Kinobetreiber, die es als Ungerechtigkeit empfinden, eine feste Zwangsabgabe entrichten zu müssen, während die Fernsehsender im Rahmen des Film-/ Fernseh-Abkommens freiwillige Beiträge leisten. Gegen diese Praxis klagte das Kinounternehmen UCI, dem sich vergangenen Herbst weitere Kinoketten angeschlossen haben. "Das Bundesverwaltungsgericht gab ihnen recht", hob der Moderator Frank Olbert, Journalist beim Kölner Stadtanzeiger, hervor. Das Gericht stelle zwar nicht die Filmförderungsanstalt in Frage, jedoch die Praxis, wie das Fördergeld eingesammelt werde.

Steffen Kuchenreuther
(Präsident SPIO)

Während die Novelle für das neue FFG verabschiedet worden ist, gerät dessen finanzielle Basis nun ins Wanken. Der Grund dafür ist, dass einige Kinos ihre Beitragszahlungen nur unter Vorbehalt leisten. Da diese eingefrorenen Gelder der FFA nicht nur Verfügung stehen, wurde im Mai dieses Jahres das digitale Sparschein angegangen, um den Haushalt zu konsolidieren. Mit diesen Mitteln, die ursprünglich für die Digitalisierung der Kinos eingesetzt werden sollten, wird derzeit der Status Quo der Förderung aufrecht erhalten. Doch völlig unklar ist, aus welchen Mitteln der Haushalt 2010 gespeist werden soll. Die Produzenten fürchten bereits um ihre Referenzmittel, mit denen ihre Erfolge an der Kinokasse finanziell durch die Förderung belohnt werden. Gerade diese Mittel besitzen eine hohe Relevanz, da sie standortunabhängig vergeben werden und somit nicht an die Effekte der Länderförderungen gekoppelt sind.

Ralf Schilling (United Cinemas
International Multiplex)

"Das FFG ist ein klassisches Selbsthilfegesetz", konstatierte Steffen Kuchenreuther, Präsident der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO). "Der deutsche Film braucht diese Förderung. Der Tatbestand der Filmförderung ist wichtiger als die Gerechtigkeit. Dieses System muss erhalten bleiben." Auch Ralf Schilling, Geschäftsführer von United Cinemas International (UCI), ist dazu bereit, weiterhin den deutschen Film zu unterstützen. Allerdings nicht zu den geforderten Bedingungen, sondern in "angemessener Weise". "Die rückläufigen Kinobesucherzahlen 2003 haben uns dazu veranlasst, eine Reduzierung der FFG-Beiträge zu verlangen", berichtete Schilling. "Stattdessen wurden die FFG-Beiträge vom Gesetzgeber sogar erhöht. Angesichts dieser Ungleichbehandlung der Kinobetreiber haben wir 2004 geklagt." Vier Jahre lang wurde dieser Klage keine große Beachtung geschenkt. Erst als sich Ende 2008 weitere Kinoketten der Klage anschlossen, herrschte in der Branche plötzlich helle Aufregung. "Wir sind jedoch nicht für den Nothaushalt der FFA verantwortlich", erklärte Schilling.

Alexander Thies (Allianz Deutscher
Produzenten)

Mit genau diesem Vorwurf konfrontieren die Produzenten jedoch den Multiplex-Betreiber. "Wir wissen nicht, wie der FFA-Haushalt 2010 aussehen wird", ereiferte sich Tom Spieß, Produzent bei der Kölner Little Shark Entertainment. "Die Lage ist sehr ernst und dramatisch, da völlig offen ist, ob wir Referenzmittel abrufen können." Die Produzenten müssten im Oktober anfangen, die Dreharbeiten für das nächste Jahr vorzubereiten. "Es muss in drei Monaten geklärt sein, wie viel Geld 2010 zur Verfügung stehen wird", bekräftigte Alexander Thies, Vorstand der Allianz Deutscher Produzenten – Film & Fernsehen. "Der Verbund darf nicht beeinträchtigt werden, sonst kann das Solidarprinzip nicht mehr weitergeführt werden."

Tom Spieß (Little Shark Entertain-
ment)

Um diese Kuh vom Eis zu kriegen, hat der Verwaltungsrat der FFA auf die Initiative von Staatsminister Bernd Neumann auf seiner Sitzung am vergangenen Freitag beschlossen, den Kinobetreibern 40 Millionen Euro für die flächendeckende Digitalisierung zur Verfügung zu stellen. Allerdings setze dieses Angebot die Beilegung der gerichtlichen Auseinandersetzung zwischen einigen Kinobetreibern und der FFA voraus. Der Vorschlag beinhaltet zudem die Überprüfung des FFG 2009 im Hinblick auf die Abgabegerechtigkeit der Zahlergruppen untereinander. "Dabei sehe ich schwarz", prognostizierte Kuchenreuther. Nachdem die UCI seit viereinhalb Jahren ihre Zahlungen an die FFA unter Vorbehalt leiste, hätten sich 3,5 Millionen Euro angesammelt. "Die UCI hofft, dieses Geld zurück zu bekommen", so Kuchenreuther. "Deshalb versucht Herr Neumann nun, Schilling zu kaufen. Der Preis dafür ist die flächendeckende Digitalisierung." Für die UCI sei dieses Angebot nicht interessant, so Kuchenreuther. "Herr Schilling kann diesem Vorschlag nicht zustimmen, deshalb brauchen wir bis Oktober einen anderen Ansatz."

Moderator Dirk Dotzert

"Es geht dabei nicht um Gerechtigkeit, sondern um Geld", entrüstete sich FFA-Vorstand Peter Dinges. Das Angebot zur flächendeckenden Digitalisierung läge nun auf dem Tisch. Wenn sich die Branche nun einige, könne das 100er Modell greifen, bei dem die Branche und der Staat jeweils 100 Millionen Euro für die Kinodigitalisierung aufbringen würden. "Es gehört zur Aufgabe der FFA, diese Strukturförderung zu leisten, sonst ist der Zug bald abgefahren. Bei der Digitalisierung, unterstrich Dinges, "möchte ich lieber der Lokführer sein." Im Falle der UCI hieße dies, insgesamt 52 Kinosälen jeweils 30.000 Euro für die Digitalisierung zur Verfügung zu stellen. "Wir werden das Angebot genau prüfen", kommentierte Schilling. "Wir brauchen bis zum 30. Juni ein Zeichen", signalisierte Thies. Bis dahin müsse auch der HdF darüber abstimmen. Die Tatsache, dass der Filmtheaterverband seine Sitzung erst für den 7. Juli angesetzt habe, zeige die Haltung des HdF dazu. "Die Kinos müssen aus derEcke geholt werden", versicherte Thies.

Panelteilnehmer "Vom Oberhause-
ner Manifest bis nach Karlsruhe"

Derzeit zahlen die Kinos 19 Millionen Euro an die FFA, die Videowirtschaft 15 Mio. und die öffentlich-rechtlichen Sender elf Mio. Euro. Die Sender argumentieren, erläuterte der Hamburger Filmanwalt Harro von Have, dass sie zudem weitere Mittel in die Länderförderungen einzahlten. Doch genau für derartige Zwecke ständen den Sendern 135 Mio. Euro zur Verfügung, die für die Landesmedienanstalten vorgesehen seien. "Wir führen eine Debatte der Vergangenheit", stellte von Have fest. "Die Frage ist, wie sich die öffentlich-rechtlichen Sender stärker heranziehen lassen." Der Anwalt rechnet mit massivem Widerstand der Sender. "Auch sie werden mit einer Verfassungsklage drohen." Es habe sogar schon einen Referentenentwurf der Sender zur FFA-Abgabe gegeben, der jedoch auf Eis liege. "Wir müssen dieses Thema aufgreifen", appellierte von Have. Doch das hält der FFA-Vorstand für problematisch. "Die Sender sind die einzigen Partner, die überhaupt unterschrieben haben", gab Dinges zu Bedenken. "Alles, was wir bisher in der Hand haben, sind die elf Mio. Euro von den Sendern."

Als rosiger gestaltet sich dagegen die Zukunft des Filmlandes NRW. Auf dem moving nrw-Empfang der Filmstiftung in der "Wolkenburg" verkündete Andreas Krautscheid, Minister für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien in Nordrhein-Westfalen, erfreuliche Neuigkeiten für die Branche. "Die Filmstiftung NRW hat in den letzten zwölf Monaten hervorragende Arbeit geleistet", bestätigte Krautscheid. Im kommenden Jahr werde der Etat für die Filmförderung aufgestockt. Aber auch für die Digitalisierung der Kinos in NRW will der Minister zusätzliche Mittel bereitstellen. "Ich möchte nicht, dass aus technologischer Innovation eine Marktbereinigung wird", erklärte der Minister in Anspielung auf einen ausländischen Kinokonzern. "In Nordrhein-Westfalen werden wir deshalb die Sache in die Hand nehmen und dafür Sorge tragen, dass die kleineren und mittleren Kinos ordentlich ausgestattet werden."

Der Internationale Filmkongress wird im Rahmen des 21. medienforum.nrw veranstaltet.

Auf dem Podium: Frank Olbert, Alexander Thies, Tom Spieß, Ralf Schilling, Steffen Kuchenreu-
ther, Harro von Have und Peter Dinges

Fotos: Heike Herbertz / Filmstiftung NRW

Für weitere Informationen kontaktieren Sie bitte:
Filmstiftung NRW, Tanja Güß, Pressestelle Filmstiftung NRW
Tel. 0211-930500, bzw. mobil 0172-9427029 – Erna Kiefer, Tel. 0172-9427025