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Panel am 13.2.: Crossmediale Distribution – Bilder und Video Online

Die Digitalisierung des Films hat auch Auswirkung auf dessen Distribution – nicht zuletzt im Internet. Ein Panel des European Film Market und der Film- und Medienstiftung NRW in Zusammenarbeit mit der Fachzeitschrift Blickpunkt:Film diskutierte Fragen rund um die crossmediale Distribution.

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Der dänische Filmproduzent Peter Aalbæk Jensen (Zentropa) definierte die Vorteile der Distribution über das Internet gleich zu Beginn deutlich: „Ich bekomme 5 Prozent dessen, was die Endverbraucher zahlen. Ich würde mich freuen, eine Abkürzung zu den Endverbrauchern zu haben.“

Große Veränderungen wird der Vertrieb über das Internet auch in Bezug auf die Reichweite haben. „Über die analogen Vertriebswege haben wir früher zehn Städte in den USA erreicht, was bedeutet, dass wir ungefähr 150 Millionen Menschen nicht erreichen konnten“, so Aalbæk Jensen. „Zuletzt haben wir Lars von Triers Film „Melancholia“ vier Wochen vor dem Kinostart als Video-on-Demand veröffentlicht, als eine Art Promotion für den Kinostart. Das hat uns 1 Millionen Dollar direkt in die eigene Tasche eingebracht“, so Aalbæk Jensen weiter. Außerdem wisse er, welche ökonomischen und ökologischen Kosten die analoge Distribution hat, wenn man 35 mm-Filme in aufwändiger Verpackung nach Buenos Aires schicke. „Das können wir jetzt in jeder Hinsicht sauberer und günstiger machen.“

YouTube Content Creators Manager Christoph Poropatits sieht auch Vorteile für die Kreativen: „Das Internet ermöglicht kreativen Menschen, die eine Geschichte zu erzählen haben, damit zu machen, was sie wollen, wenn sie schlau genug sind, ihre Rechte zu schützen.“ Im Gegensatz zu den TV-Anstalten früherer Dekaden seien die Plattformen und die dahinter stehenden Businessmodelle für alle da. Wie genau sich diese Geschäftsmodelle entwickeln werden, weiß momentan keiner. „Es gibt viele Möglichkeiten, aber wir wissen nicht, was erfolgreich sein wird“, sagte Poropatits.

Auf die Frage des Moderators der Veranstaltung, Marek Walton, Mitbegründer von The Mustard Corporation, wie sich das Marketing in der crossmedialen Welt verändere, antwortete Aalbæk Jensen: „Ich hatte nie Geld, meine Filme zu vermarkten. Für mich gibt es hier plötzlich ein freies Tool, und es ist großartig. Es ist nicht so schwer, einen guten Auftritt zu machen, wenn das Produkt stimmt“. „Beim Marketing im Internet ist es wesentlich einfacher, den Endverbraucher zu erreichen, weil es einige Vermittler gibt, die man aussparen kann“, ergänzte Christoph Poropatits. You Tube, Facebook, Google, Twitter, Google plus – das seien alles Internetplattformen, mit denen man direkt in Verbindung mit dem Endverbraucher trete und somit schneller und effizienter sein Zielpublikum erreiche.

Problematischer fallen die schnellen Entwicklungen auf der juristischen Ebene aus: Weil auf Firmen, die ihre alten Vertriebswege aufrecht erhalten wollen, große Herausforderungen zukommen würden, müssten die Content-Produzenten flexibel bleiben, so Medienanwalt Dr. Christoph Wagner von der Kanzlei Hogan Lovells. „Sie können sich nicht mehr für lange Zeitspannen an exklusive Verträge mit Vertriebsplattformen binden, weil man nicht mehr wissen kann, wo man in zwei oder drei Jahren stehen wird. Durch die kurzen Laufzeiten der Verträge werden juristische Handlungen wiederum viel häufiger in Anspruch genommen als früher“. Auch auf anderen Ebenen wird es juristische Veränderungen geben. So könne man zwar immer noch territorial begrenzte Lizenzen vergeben, man könne sie aber kaum noch durchsetzen. Das sei hauptsächlich das Ergebnis von Marktgesetzen und EU-Gesetz, sagte Wagner. „Und so werden die großen Studios immer mehr Lizenzen auf gesamteuropäischer Basis vergeben. Die Frage wird sein: Ist dann der Preis überall gleich – werden die Griechen genau soviel zahlen wie die Deutschen?“

Ob durch die vielen Ungewissheiten, die Walton mit einem offenen Wild West-Szenario verglich, auf die Anwälte nun viel Arbeit zukommt, weil niemand genau weiß, wie man das ganze rechtlich organisieren soll, wollte der Moderator wissen. Wagner bestätigte das, die Hauptgefahr gehe aber von den Piratenplattformen aus: „In den USA gibt es derzeit eine große Diskussion über Internetpiraterie, und am Ende wird man in Deutschland den dortigen Kompromiss zwischen Providern und den Produzenten der Inhalte schlucken müssen. Meiner Meinung nach ist es eine Schande, dass wir in Europa nicht die Führung übernehmen und versuchen, einen Plan auszuarbeiten, um die Rechte der Produzenten zu schützen. Das deutsche Justizministerium macht in dieser Hinsicht gar nichts. Und jetzt haben sie sogar die Unterzeichnung des Acta-Vertrags ausgesetzt, weil 30.000 Leute auf die Straße gehen.“

Aalbæk Jensen gab sich gelassen: „Piraterie ist eine riesige Herausforderung, aber ich bin etwas entspannter, weil es nicht nur die Film- oder Musikbranche betrifft, sondern auch Design oder Technik, die in China produziert wird. Das ist gut, denn wenn es die gesamte Industrie betrifft, wird sich die Politik schon darum kümmern.“ Außerdem, fügte Aalbæk Jensen hinzu, habe es im Filmbusiness immer viele Gaunereien gegeben. „Wie soll ich denn Kontrollieren, wie viele Kinokarten verkauft wurden? Das kann ich nicht! Aber vielleicht kann ich nun kontrollieren, wie viele IP-Adressen meine Filme heruntergeladen haben. Vielleicht kann ich in der digitalen Welt meine Rechte besser kontrollieren als zuvor – ausgenommen die Piraterie“

Vielleicht sei manchmal auch nur die Erreichbarkeit des Produkts das Problem, mutmaßte Marek Walton. Christoph Wagner konnte das bestätigen „Die Entwicklung legaler Alternativen ist sehr wichtig, um die Piraterie zu bekämpfen. Das Problem ist, dass man die Kette der Verwertungsfenster hat, wo man Sperrfristen hat, in denen man den Zugriff, den man sich wünscht, nicht haben kann. Im ersten Verwertungsfenster, dem Kino, gibt es keine Möglichkeit, den Film außer im Kino legal zu sehen. Hier hat man die Wahl: Will man ein rigides, altes Geschäftsmodell behalten, dass nicht konsumentenfreundlich ist, um das Kino zu schützen? Denn ohne diesen Schutz würde das Kino in Deutschland und Europa wahrscheinlich nicht überleben. Oder sollte man nicht lieber riskieren, dass sich die Kinoindustrie grundlegend verändert, und flexibler sein?“

„Die größte Herausforderung neben der Piraterie“, sagte Christoph Wagner, sei aber die zerstörerische Kraft des Gratismodells. „Es ist schwierig, einen Wert für ein Produkt festzulegen, wenn man im Wettbewerb mit Geschäftsmodellen konkurriert, die darauf basieren, dass das Produkt kostenlos ist – also Geschäftsmodelle, die auf Anzeigenfinanzierung, öffentliche Finanzierung oder ähnliches basieren. Wenn man einen kostbaren Content hat, und ihn zu Geld machen will, dann muss man zuerst die Bedrohung durch die Piraterie bewältigen, und dann noch mit vielen Mitbewerbern konkurrieren, die ein ähnliches Produkt kostenlos anbieten. Das macht es sehr schwer, Geld zu verdienen – um damit am Ende Anwälte zu bezahlen“ .. fügt Wagner ironisch hinzu.