Film- und Medienstiftung NRW vergibt 100.000 Euro für fünf Stipendien
Jubiläum in Düsseldorf: Zum 10. Mal hat die Film- und Medienstiftung NRW gemeinsam mit der Wim Wenders Stiftung das Wim Wenders Stipendium verliehen. Die Verleihung fand in der Sammlung Philara in Düsseldorf-Flingern statt. Das renommierte Stipendium, das jährlich mit einer Gesamtsumme von 100.000 Euro ausgelobt wird, ermöglicht Filmemacher:innen eine unabhängige Entwicklung ihrer innovativen Projektideen.
Aus insgesamt 41 Anträgen wählte die Jury – bestehend aus dem Vorsitzenden Wim Wenders, Susanna Felgener, Film- und Medienstiftung NRW (in Vertretung von Geschäftsführerin Petra Müller), Mirko Derpmann, Kreativdirektor Scholz & Friends Agenda – fünf Projekte aus. Ausschlaggebend bei ihrer Entscheidung waren die stoffliche Originalität und eine überzeugende visuelle Konzeption.
Juryvorsitzender Wim Wenders: „In unserem zehnten Jubiläumsjahr hat die Jury mehr Einreichungen gesichtet als je zuvor, nämlich 41 höchst unterschiedliche Anträge aus ganz Deutschland. Das Wim Wenders Stipendium 2023 geht dieses Jahr an 5 Projekte mit existentiellen und hochaktuellen Themen. Wir haben dieses Jahr entschieden, sie alle paritätisch auszustatten, mit jeweils 20.000 Euro, die wie immer den Filmemacher:innen Zeit für die Erforschung ihrer erzählerischen Möglichkeiten schenkt. Herzlichen Glückwunsch an die Stipendiat:innen und vielen Dank an alle Bewerber:innen für ihr Vertrauen!“
„Heute verleihen wir das 10. Wim Wenders Stipendium in Düsseldorf! Ein schöner Anlass, die Projekte, die aus dieser erfolgreichen Arbeit zwischen der Wim Wenders Stiftung und der Film- und Medienstiftung NRW entstanden sind, zu feiern. Wir blicken auf spannende Ideen, wilde Utopien, Eintauchen in fremde Welten und außergewöhnliche filmische Erfahrungen zurück. Auch der diesjährige Jahrgang stellt wieder formal wie inhaltlich besondere Projektideen vor und wirft einen eigenwilligen wie wachen Blick auf die Welt“, so Christina Bentlage, Leitung Förderung in der Film- und Medienstiftung NRW. „Wir wünschen allen Stipendiat:innen viel Erfolg bei der Entwicklung ihrer Stoffe.“
„Antropka“ von Maria Vogt
Elf Frauen im All: queerfeministisches Science-Fiction-Abenteuer, 20.000 Euro
Mit ihrem Science-Fiction Film „Antropka“ möchte Maria Vogt der Phalanx männlicher Weltraum-Erzählungen eine eigene, queerfeministische Sicht aufs Reisen in ferne Galaxien entgegensetzen. Elf Frauen aus vier Generationen kämpfen im Jahr 2182 auf einer Art interstellarer Arche Noah ums Überleben – streng überwacht von einer KI. Ihre Mission: die Rettung der Menschheit. Denn die Erde ist als Folge der Klimakatastrophe unbewohnbar geworden. Vogt hat als Regisseurin und Autorin diverse Film- und Theaterprojekte realisiert, lebt in Bochum und machte 2022 ihren Master an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg.
„Der Fuchs war damals schon der Jäger“ von Malika Musaeva
Über die existentiellen Ängste einer nach Deutschland geflüchteten Tschetschenin, 20.000 Euro
Die Tschetschenin Malika Musaeva studierte Regie an der Kabardino-Balkarien Universität unter Alexander Sokurov im Nord-Kaukasus sowie an der Hamburg Media School. Ihr Debüt-Langfilm „The Cage Is Looking for a Bird“ feierte in diesem Jahr Premiere im Rahmen der Berlinale Encounters. In „Der Fuchs war damals schon der Jäger“ beschäftigt sich die Regisseurin mit dem Thema Angst innerhalb der geschlossenen Community tschetschenischer Flüchtlinge in Deutschland, über deren Leben kaum etwas bekannt ist.
„It Takes A Village To Raise AI“ von Sofia Ose und Robert Summerfield
Traumatische Erfahrungen mit Chat GPT in Kenia, 20.000 Euro
In ihrem essayistischen Dokumentarfilm erzählen Ose und Summerfield drei Geschichten, die zur Enthüllung eines globalen Skandals führen: Eine Gruppe junger Wissenschaftler:innen kämpft in Nairobi für flächendeckendes Internet in der größten informellen Siedlung Afrikas, drei Einwohner:innen suchen einen Ausweg aus einem Trauma und ein Chatbot führt ein intimes Gespräch über Menschlichkeit. Seit vier Jahren realisiert die in Köln lebende Filmemacherin Ose mittellange Dokumentarfilme für das Medienprojekt Wuppertal. Sie ist ebenso wie der in Münster agierende Autor und Redakteur Robert Summmerfield Teilnehmer:in der Masterclass Non-Fiction an der ifs Köln.
„Sieben Väter“ von Nele Dehnenkamp
Radikal weibliche Perspektive auf sexuelle Gewalt im Krieg, 20.000 Euro
Der Krieg in der Ukraine, zwei Frauen und ein Ziel: Die eine hat nach einer Vergewaltigung ihr Kind ausgetragen, die andere beschäftigt sich beruflich mit den Folgen sexueller Gewalt in Kriegsgebieten. In ihrem experimentellen Kinodokumentarfilm begleitet Nele Dehnenkamp die beiden Protagonistinnen bei der Aufarbeitung kriegsbedingter Traumata und ihrer Selbstermächtigung. Dehnenkamps Filme wurden auf internationalen Festivals gezeigt und unter anderem mit dem Grimme-Preis und dem Civis Medienpreis ausgezeichnet. „Sieben Väter“ ist ihr abendfüllendes Regie-Debüt nach ihrem Studienabschuss.
„Uncanny Valley“ von Tim Ellrich
Kaleidoskop einer Familie im 21. Jahrhundert, 20.000 Euro
Eine scheinbar ganz normale deutsche Familie bildet die Grundlage eines Films der Tochter. Als die Familienmitglieder auf die Schauspieler:innen treffen, die sie im Film verkörpern sollen, stellt sich das Gefüge auf den Kopf. Es entstehen ungleiche Paarungen, die das Leben jedes Einzelnen in Frage stellen. Regisseur Tim Ellrich absolvierte die Filmhochschule in Ludwigsburg. Seine Filme wurden bislang auf mehr als 400 Festivals gezeigt und vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem First Steps Award.
10. Vergabe Wim Wenders Stipendium
In diesem Jahr feierten die Wim Wenders Stiftung und die Film- und Medienstiftung NRW die 10. Vergabe des Wim Wenders Stipendium, das erstmals 2014 ausgelobt wurde. Seither wurden 46 Stipendien mit einer Gesamtfördersumme von knapp einer Million Euro verliehen. Insgesamt acht Projekte konnten bereits realisiert und ausgewertet werden, einige stehen kurz vor der Finalisierung. Über die Vergabe entscheidet die Jury im Rahmen eines zweistufigen Auswahlverfahrens. Nach einer Vorauswahl werden die Kandidat:innen eingeladen, ihre Projekte der Jury persönlich zu präsentieren. Neben inhaltlichen Kriterien geht es vor allem auch um die überzeugende formale und visuelle Gestaltung der Projektideen.
Wim Wenders Stiftung
Die Wim Wenders Stiftung wurde 2012 auf Initiative von Wim und Donata Wenders in Düsseldorf gegründet, mit der engagierten Hilfe des Landes NRW, der Stadt Düsseldorf, der Kulturstiftung der Länder sowie von privaten Zustiftern und dank der Vernetzung und Beratung durch Petra Müller, Geschäftsführerin der Film- und Medienstiftung. Die Wim Wenders Stiftung fördert den Erhalt und die Präsentation sowie die Verbreitung des filmischen, photographischen, künstlerischen und literarischen Lebenswerks von Wim Wenders und sucht den Dialog mit nationalen und internationalen Kultur- und Bildungseinrichtungen sowie mit Forschung und Lehre. Daneben widmet sich die Stiftung in der Geburtsstadt des Filmemachers verschiedenen Aspekten der Nachwuchsförderung und der Filmbildung.
Wim Wenders im Kino
Als Regisseur war Wim Wenders in diesem Jahr gleich mit zwei Filmen beim 76. Festival de Cannes vertreten: „Perfect Days“ feierte im Cannes-Wettbewerb seine Weltpremiere und wird 2024 für Japan ins Oscar-Rennen gehen. Hauptdarsteller Koji Yakusho wurde im Rahmen des Filmfestivals zudem mit einer Palme ausgezeichnet. Deutscher Kinostart ist am 21. Dezember. Wenders‘ Film „Anselm – Das Rauschen der Zeit“, ein 3D-Dokumentarfilm über Anselm Kiefer, einen der bekanntesten und erfolgreichsten deutschen Künstler weltweit, lief in der Reihe Cannes Premiere und ist ab 12. Oktober in den deutschen Kinos zu sehen.