Instagram
Film und Medien Stiftung NRWNewsNewsGespräch mit Charlotte Roche und Sönke Wortmann vor Drehstart von „Schoßgebete“

Gespräch mit Charlotte Roche und Sönke Wortmann vor Drehstart von „Schoßgebete“

In der gemütlichen Atmosphäre des Clubkinos im Kölner Residenz, das mit seinen Bücherwänden eher an eine Bibliothek als an ein Kino erinnert, hatte die Film- und Medienstiftung NRW zu einer exklusiven Runde geladen: Autorin Charlotte Roche, Regisseur Sönke Wortmann und Schauspielerin Lavinia Wilson sprachen über die anstehende Verfilmung des Bestsellers „Schoßgebete“, bevor der Dreh nächste Woche in NRW beginnt. Das Werkstattgespräch, das Matthias Kremin vom WDR moderierte, fand im Rahmen von „Film trifft Literatur“ statt, einer bereits seit drei Jahren bestehenden Kooperation von Filmstiftung und lit.Cologne.

 Das Thema „Film trifft Literatur“ sei in diesem Jahr besonders passend, sagte Filmstiftungs-Geschäftsführerin Petra Müller: Es würden auf der lit.Cologne zahlreiche Bücher präsentiert, die für Kino und Fernsehen verfilmt oder von Schauspielern vorgestellt werden. „Immerhin basiert von den 130 Filmprojekten, die die Filmstiftung im Jahr fördert, fast ein Drittel auf Literatur, auch auf Sachbüchern“, sagte Müller. Das Spannende sei, wie die Bücher adaptiert würden, so Müller, deshalb habe man auch die Reihe „Film trifft Literatur“ zur lit.Cologne entwickelt. Bereits in vorherigen Veranstaltungen waren diese Woche Buch und Film von „Rubinrot“, „Speed“ und „Tom Sawyer“ Themen von Gesprächsrunden.

imageProduzent Tom Spieß, Charlotte Roche, Lavinia Wilson, Regisseur Sönke Wortmann, Petra Müller /© Heike Herbertz

Diesmal also „Schoßgebete“, jener Bestseller, der sich schon eine Million Mal verkauft hat und bei seinem Erscheinen 2011 für Aufregung sorgte, auch wegen einiger expliziter Sexszenen. Das Drehbuch dazu hat Oliver Berben geschrieben, der den Film mit Constantin produziert. „Zu sehen, was die anderen daraus machen, damit muss man als Autorin erst mal umgehen“, sagte Roche, die bereits mit ihrem ersten Buch „Feuchtgebiete“ einen Bestseller landete. Sie mische sich jedoch nicht ein, was sie auch vertraglich gar nicht dürfe. Sie habe viele Anfragen bezüglich einer Verfilmung von „Schoßgebete“ bekommen, jedoch das Buch nur an jemanden verkauft, dem sie auch vertraut, „dass er etwas Gutes daraus macht“, sagte die Autorin und Moderatorin. Oliver Berben habe sich im Vorfeld stark ins Zeug gelegt und um sie geworben. Das habe sie so sehr beeindruckt, dass sie ihm den Zuschlag für die Verfilmung gab. Sie habe ihre Wahl bisher nicht bereut, auch weil Schauspielerin Lavinia Wilson für sie perfekt in die Rolle passt: „Sie wirkte beim Casting wie eine jüngere, hübschere Version von mir, das war fast schon gruselig“, sagte Roche. Das Buch über eine traumatisierte Frau, die durch einen Unfall ihre Brüder verloren hat, trägt eindeutig autobiografische Züge der Autorin. Zwischen Roche und Sönke Wortmann („Das Wunder von Bern“, „Die Päpstin“) entwickelte sich schnell ein lockeres, unterhaltsames Gespräch.

Wortmann erzählte von seinem Bauchgefühl, das ihn sich hat für das Projekt entscheiden lassen. „Ich habe das Buch auf einer Zugfahrt von Holland in einem Rutsch durchgelesen, und meine innere Stimme sagte: Ja!“ Die Themen Tod und Therapie haben ihn interessiert: „Die Hauptfigur ist eine selten komplexe Figur.“ Lavinia Wilson ergänzte: „Elisabeth ist eine moderne Frau, die ich super finde, so, wie sie mit dem Schicksalsschlag umgeht: gnadenlos mit sich, streng, trotzdem komisch, schnell, intelligent – so Frauenfiguren gibt es nicht häufig.“ Sie hoffe, dass sich der Grundkonflikt und die Psychologie von „Schoßgebet“ auch im Film übertragen. Wortmann sieht den Film nicht als Komödie, wie ihn manche bereits bezeichneten, sondern vielmehr als Drama mit einigen lustigen Stellen.

Sex spielt in „Schoßgebete“ eine große Rolle, doch vieles wird im Film gestrichen. Wilson: „Wir können ja keinen Porno drehen.“ Sie habe keine Angst vor diesen Szenen, der Regisseur schon eher. Wortmann: „Es wird Sex auf dem Bett und in der Badewanne geben – davor habe ich etwas Bammel. Ich habe noch nie einen Dreier inszeniert.“ Roches Vorschlag, dass sich alle am Set ausziehen, damit die Schauspieler sich wohler fühlen, lehnte Wortmann schmunzelnd ab. Bei der Frage, ob der Morgenmantel der Prostituierten wie im Buch türkis sein muss oder ob er auch grün sein darf, pochte Wortmann ironisch auf sein Recht als Regisseur, Dinge auch in seinem Sinne verändern zu können. Er sei jedoch offen für jede gute Idee von Charlotte Roche. Er sei überzeugt, dass der Film kein Flop würde, dafür sei Roche zu bekannt. „Heutzutage braucht man beim Film eine Marke, um Erfolg zu haben“, sagte Wortmann.

 Gespannt lauschten die 35 geladenen Gäste, darunter der am Film beteiligte Produzent Tom Spieß, Leopold Hoesch, Jutta Müller, Christiane Ruff und Raimund Goebel, sowie Gebhard Henke, WDR-Fernsehfilmchef, und Silke Räbinger, Leiterin des Internationalen Frauenfilmfestivals, dem kurzweiligen Gespräch, das die komplexen Fragen rund um den Wechsel eines Genres vom Buch zum Film spannend beleuchtete.

 „Schoßgebete“ realisiert die Münchner Constantin mit der Kölner Little Shark Entertainment fast komplett in NRW. Die Film- und Medienstiftung fördert die Produktion mit 900.000 Euro. Außerdem erhielt die Verfilmung Förderung von der FFA, dem DFFF und dem FFF Bayern; der WDR ist als Sender beteiligt. Neben Lavinia Wilson als Elisabeth Kiehl stehen Jürgen Vogel als ihr Ehemann Georg und Juliane Köhler als Therapeutin vor der Kamera. Constantin will den Film bereits im Oktober 2013 in die Kinos bringen, die Dreharbeiten starten in wenigen Tagen.

Der Mitschnitt des Werkstattgesprächs:

Vimeo

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von Vimeo.
Mehr erfahren

Video laden