Popcorn, Eis und Cola sind teurer als eine Kinokarte
Panel "Wer genau ist das Publikum der Zukunft?"
Diskussionsteilnehmer "Wer genau ist das Publikum der Zukunft?" |
Nicht erst seitdem die Anzahl der Kinobesucher in Deutschland von knapp 180 Millionen in dem Rekordjahr 2001 im Jahr 2007 wieder auf 125 Millionen gefallen ist, sucht die Branche nach neuen Konzepten, Strategien und Möglichkeiten, um neue Zielgruppen zu erschließen. "Die Wertigkeit des Kinos wird viel zu weit unten angesetzt", meint Marianne Menze, Geschäftsführerin der Essener Filmkunsttheater. Während die Preise in der Gastronomie im Zuge der Euro-Umstellung um ein Vielfaches erhöht worden seien, koste das Kinoticket nicht mehr. "Popcorn, Eis und Cola sind teurer als eine Kinokarte", pflichtete Christoph Ott,Head of Campaign von NFP Marketing & Distribution, bei. "Das Verhältnis muss angepasst werden." In den USA würden für eine Kinokarte durchschnittlich zwölf Dollar verlangt, für ein Ticket im IMAX 3D-Kino sogar 18 Dollar. In Deutschland habe dagegen 2001 ein Preis-Dumping begonnen.
Produzentin Uli Putz |
"Wenn es den Kinos gut geht, geht es auch den Produzenten gut", bemerkte Uli Putz, Produzentin bei der Münchener Produktionsfirma Claussen , Wöbke & Putz, "denn sie bekommen die Rückflüsse aus der Kinoauswertung." Auch der Erfolg der Kinokette CinemaxX resultiere aus der Nachfrage. Diese setzt auf verschiedene Strategien, um die Besucher wieder zurückzuholen. "Zu diesen Elemente gehört 3D", bekräftigte Christian Gisy, Vorstand der CinemaxX -Gruppe, "denn diese Welle beginnt anzurollen." Zudem sei das CinemaxX bestrebt, Zielgruppenprogramme für Frauen, Männer, aber auch Lesben und Schwule anzubieten. "Wir müssen vielfältiger werden und uns für die breite Masse öffnen." Daher sei es wichtig, gezielt zu vermitteln, welche Filme im Kino liefen.
Kinobetreiberin Marianne Menze |
Auch Menze setzt in der Essener Lichtburg auf Zielgruppen-Marketing. "Wir bieten seit zwei Jahren einmal im Monat Senioren-Kino an, das bei uns richtig eingeschlagen ist." Ein Film wie "Wolke 9" von Andreas Dresen sei dort ausverkauft gewesen. "Wir sprechen damit Besucher ab 50 aus allen Schichten an." Zu zwei Dritteln würden diese Programmangebote von Frauen frequentiert. "Es ist uns gelungen, das Vertrauen der Besucher zu gewinnen." Das Publikum komme wieder, wenn wir ihnen Filme empfehlen, und sie bauen den Kinobesuch zu einem Event-Tag mit einem anschließenden Einkaufsbummel aus. "Um verschiedene Zielgruppen anzusprechen, gehen die Verleiher sogar dazu über, drei oder vier unterschiedliche Trailer zu einem Film zu produzieren", verriet Ott. Gerade das ältere Publkum brauche drei bis vier Wochen, um einen Kinobesuch zu planen. Im Fall von "Buddenbrooks" sei deshalb schon vier Wochen vorher dafür geworben worden, dass der Film Weihnachten im Kino laufe.
Christian Gisy |
Um anspruchsvollere Besucher zu bedienen, bieten sowohl das "Astor" in Berlin als auch das CinemaxX in Essen Komfort-Kino der Luxusklasse an. "In unserem Kino 13 in Essen nehmen die Besucher auf Ledersofas Platz und werden dort bis zum Vorstellungsbeginn bedient", so Gisy. "Wir planen, dieses Konzept auch in anderen Multiplexen anzubieten, da es Zielgruppen gibt, die bereit sind, dafür mehr Geld auszugeben." Neben den großen Blockbustern setzen auch die Multiplexe mittlerweile Arthouse-Filme ein, um dieses Publikum ebenfalls anzusprechen. "Der Durchlauf der Filme in einem Multiplexkino mit 16 Sälen ist wesentlich schneller geworden", sagt Gisy. Filme wie "Crank" halten sich nicht länger als zwei Wochen. Der deutsche Jugendfilm "Krabat" besaß hingegen eine längere Verweildauer im Kino. "Wir haben die jungen Zuschauer über das Internet angesprochen", erläutert Putz. "Junge Menschen sind es gewohnt, sich alle Informationen im Netz zu holen. Deshalb ist das eine gute Möglichkeit, das Publikum langfristig zu binden."
Christoph Ott |
Eine ganze Reihe von Produktionen, die jede Woche auf den Kinomarkt drängten, seien Fernsehspiele, beklagte Menz, die mit den europäischen Kinofilmen um die Leinwände konkurrierten. "Keiner weiß vorher, welcher Film im Kino erfolgreich läuft", gab Ott zu bedenken. "Ein Film, der kein Publikum findet, wird gleich wieder abgesetzt." Doch es gäbe immer wieder Überraschungserfolge wie "Höllentour", "Schultze Gets the Blues" oder derzeit "Schimmelreiter" in Norddeutschland.
Aber auch 3D-Filme werden für Produzenten und Verleiher immer mehr ein Thema. "Wir erwerben gerade die Rechte an einem Stoff, der sich für einen 3D-Verfilmung eignet", verriet Putz. "3D ist eine von vielen Möglichkeiten, das Kino am Leben zu erhalten", unterstrich Ott. Auch Menz hat zum Kinostart von "Ice Age 3" für die Lichtburg in Essen eine 3D-fähige digitale Projektionsanlage samt 3D-Brillen gemietet. "Wir möchten ausprobieren, ob das beim Publikum ankommt." Da die meisten 3D-Filme Animationsfilme seien, kämen sie nicht für den Kinoeinsatz in der Lichtburg in Frage. "Durch James Camerons 3D-Liveaction-Film 'Avatar' kann sich das jedoch ändern." Auch Gisy will mit den Verleihern über die Finanzierung der digitalen Projektionsanlagen verhandeln, welche die Voraussetzung für das 3D-Kino darstellen. Disney warte ebenfalls mit einem "Weihnachtsmärchen" in 3D auf, worüber eine neue Akzeptanz und Attraktivität im Kino herbeigeführt werden könne.
Eigentlich sei das Zielgruppen-Marketing keine neue Erfindung, resümierte der Moderator Peter Claus, Radiomoderator in Berlin. Schon Louis B. Mayer habe festgestellt: "Wir müssen die Frauen kriegen. Wenn die Frauen kommen, kriegen wir auch die Männer und die Kinder."
Im Anschluss an diese Kino-Diskussion lud die Filmstiftung zur NRW-Premiere von "Das Vaterspiel" in das Cinenova ein, bei der Regisseur Michael Glawogger, Hauptdarsteller Ulrich Tukur und Produzentin Christine Ruppert (Tatfilm) den Film persönlich vorstellten. Unter den Gästen im Publikum waren auch Peter Lohmeyer und Sara Wiener sowie SPIO-Präsident Steffen Kuchenreuther.
Der Internationale Filmkongress wird im Rahmen des medienforum.nrw veranstaltet.
Auf dem Podium: Moderator Peter Claus, Uli Putz, Christoph Ott, Marianne Menze, Christian Gisy |
Fotos: Heike Herbertz / Filmstiftung NRW
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