Tag 1 des Berlinale Series Market: Rückblick
Schwierige Rahmenbedingungen als Chance sehen
Am Montag, 20. Februar, ist die neunte Ausgabe des Berlinale Series Market eröffnet worden – im neuen Veranstaltungsort, dem Dokumentationszentrum Flucht, Vertreibung, Versöhnung in der Nähe des Potsdamer Platzes. Die Businessplattform im Rahmen des European Film Market (EFM), die seit ihren Anfangstagen von der Film- und Medienstiftung NRW als Hauptpartner unterstützt wird, widmet sich auch in diesem Jahr wieder aktuellen Branchentrends sowie zukunftsweisende Themen der Serienwelt. Das hochkarätig besetzte Konferenzprogramm wird eingerahmt von Screenings und Showcases sowie Industry Tables.
Dennis Ruh, Direktor des European Film Market, brachte in seiner kurzen Eröffnungsrede seine Freude darüber zum Ausdruck, dass der BSM nach zwei rein digitalen Ausgaben nun erstmals wieder als Präsenzveranstaltung durchgeführt werden könne. Mit dem Motto „Shift happens“ ziele man thematisch auf die Transformation ab, die sich aktuell in der Serienwelt vollziehe – sowohl im Hinblick auf die kreativen Prozesse als auch auf den Vertrieb. Guy Bisson vom Marktforschungsunternehmen Ampere Analysis zeigte anschließend beim Eröffnungspanel unter dem Titel „Adapting to the Market“ aktuelle Entwicklungen auf. Demnach werde inzwischen jede vierte Serienproduktion von einem Streamer in Auftrag gegeben. Werbefinanzierte Video on Demand-Modelle (AVoD) seien auf dem Vormarsch. Die Krisen der jüngeren Zeit hätten dazu geführt, dass in Westeuropa und Nordamerika die Ausgaben für Serien insgesamt heruntergefahren worden seien. Zudem beobachteten die Analysten eine stärkere Hinwendung zu Non-Scripted-Formaten, Doku-Content und Entertainment – nicht zuletzt, weil diese während der Coronakrise einfacher und kostengünstiger zu produzieren gewesen seien.
Auf Bissons Vortrag folgte eine Eröffnungsrunde mit Vertreter:innen von Weltvertrieben. Robert Franke, Head of Drama bei ZDF Studios, bezeichnete dabei den aktuellen Serienmarkt als „inspirierend“ – auch wenn die Rahmenbedingungen derzeit schwierig seien. Es sei nun wichtig, sich auf den immer stärker fragmentierten Markt einzustellen und die richtigen Abnehmer für die richtigen Produkte zu finden. Auch Beatrice Springborn, President Universal International Studios & Universal Content Productions (UCP), empfahl, die Herausforderungen als Chance zu sehen und die zum aktuellen Marktgeschehen passenden individuellen Inhalte zu bieten. Insgesamt sei mehr Flexibilität gefragt, so Ruth Berry, Managing Director Global Distribution & Global Entertainment der britischen ITV Studios. Rodolphe Buet, Chief Branding Officer der TF1-Tochter Newen Studios, sprach sich dafür aus, bei der Entwicklung und Produktion neuer Serien noch stärker länderübergreifend mit anderen europäischen Partnern zusammenzuarbeiten. Es gehe gerade im Streaming-Bereich auch darum, ein Gegenwicht zur Dominanz von US-amerikanischen Programmen zu setzen.
Vier aktuelle deutsche Serienprojekte standen im Mittelpunkt beim nachfolgenden Showcase „Up Next: Germany“, darunter auch der von der Film- und Medienstiftung geförderte Sechsteiler „Davos“ (Letterbox, Contrast Film, Amalia Film, ARD, SRF, SRG SSR). Die Produzent:innen Lisa Arndt und Ivan Madeo sowie der Serienschöpfer und Headwriter Adrian Illien stellten das Spionage-Drama in Berlin vor. Auch die ebenfalls filmstiftungsgeförderte Serie „Herrhausen – Der Herr des Geldes“ (Sperl Film, X Filme, ARD Degeto, RBB, SWR, HR, Beside Productions, Avrio Film) war ein Thema beim deutschen Showcase. Gemeinsam mit Hauptdarsteller Oliver Masucci gaben Produzentin Gabriela Sperl und Executive Producer Christer von Lindequist einen Einblick in den vierteiligen Geo-Politthriller, der das Attentat auf den Deutsche Bank-Vorstandssprecher Alfred Herrhausen thematisiert. Darüber hinaus standen die Coming-of-Age-Mystery-Geschichte „Feelings“ von Clara Zoë My-Linh von Arnim (Studio Zentral für funk/ZDF, ZDF Studios) sowie die Doku-Serie „Juan Carlos“ (gebrüder beetz/Sky Studios/NBC Universal) von Produzent und Autor Christian Beetz sowie Regisseurin Anne von Petersdorff auf dem Showcase-Programm.
Ein weiteres Panel beim Berlinale Series Market trug den Titel „Entrepreneurial Showrunners: The Future of Creative“. Dabei ging es um den Trend, dass Kreative zunehmend mit eigenen Firmen auch die Produktion ihrer Projekte in die Hand nehmen. Ein Teilnehmer der Gesprächsrunde war der britische Independent-Produzent Bennett McGhee (u.a. „An Education“), der sich mit seiner neuen Firma Home Team auf die Entwicklung von High-End-Fernsehfilmen und -Serien fokussiert. Er berichtete ebenso von seinen Erfahrungen wie André Zoch, Mitgründer und Produzent bei der Berliner Firma Dog Haus, die u.a. für die Serienverfilmung des Fantasy-Romans „Der Greif“ für Amazon Prime Video mitverantwortlich zeichnet. Jono Bergmann, Mitgründer und Geschäftsführer der in Wien ansässigen Babka Productions, zeigte anhand von „Camp Confidential“ und „Wirecard“ auf, wie bestimmte Stoffe sowohl als Scripted- als auch als Non-Scripted-Formate gedacht werden können. Nicht mit eigener Firma, sondern als Alleinunternehmer ist der Showrunner Adi Hasak (u.a. „The Box“) erfolgreich. Auf dem Panel in Berlin bekräftigte der gebürtige Niederländer, der zum Teil in den USA lebt, dass er sich mit seinen Stoffen derzeit in Europa besser aufgehoben fühle als in den Vereinigten Staaten. Dort sei das Interesse an Remakes mitunter ausgeprägter als die Nachfrage nach originärem Content. Der erfahrene Showrunner gab zu bedenken, dass man sich im Serienmarkt stets weiterentwickeln müsse und nicht krampfhaft an Geschäftsmodellen aus den 1990er Jahren festhalten dürfe.
Der erste Tag beim Berlinale Series Market 2023 ging u.a. mit dem Showcase „Swedish Drama Series“ zu Ende, das von zwei Repräsentant:innen des Göteborg Film Festival präsentiert wurde. Cia Edström, Leiterin der Serienplattform TV Drama Vision, und Head of Industry Josef Kullengård stellten dabei stattliche elf neue Serien-Produktionen aus dem skandinavischen Land vor. Die thematische Bandbreite reichte von „Estonia“ (TV4/C More) über das Ostseefähren-Unglück aus dem Jahr 1994 und der prominent besetzten Bestseller-Verfilmung „Blackwater“ (SVT) bis hin zum Biopic über den unlängst verstorbenen Eishockey-Star Börje Salming (Viaplay). Auch eine zwei sechsteilige Staffeln umfassende Neuverfilmung von Astrid Lindgrens „Ronja Räubertochter“ steht demnach beim Streamer Viaplay in den Startlöchern.